Ressort
Kreuzpeilung
Als stete Fundgrube an Kuriosa, Schmankerln und Wunderlichkeiten erweist sich seit einigen Jahren mein traditioneller Regattaauftakt bei den Ruster Segeltagen.
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Geiselhaft? Die wie immer makellose Wettfahrtleiterin Andrea Martens kündigt an, dass der Kurs weiter Richtung Mörbisch gelegt wird. Grund: Größere Tiefe, damit haben die Zwanziger kein Problem mit ihren langen Schwertern. Eine Routineansage für den Neusiedlersee – nur: Wir haben diesmal einen guten Wasserstand wie schon seit den Rekordjahren 1996/97 nicht mehr. Zwei Seelen also in meiner Brust. Die eine: Egal, fahren wir halt ein wenig weiter runter, soll sein. Die andere: Muss ich jetzt da runter fahren, weil die anderen es so wollen? Ist es nicht Aufgabe der Skipper, ihr Boot für das jeweilige Revier fahrtauglich zu machen? Kann ich in Zukunft auch anmelden, ich würde den Kurs lieber weiter Richtung Podersdorf haben, weil ich mich dort besser auskenne? Im Endeffekt war’s egal, weit gefahren sind wir nicht und ohne Extra-Begründung hätte ich mir diesbezüglich wohl gar nichts gedacht.
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King of the ring? Man sitzt bunt gemischt am Tisch vor dem Clubhaus und diskutiert – Regeln und ihre Auslegung. Es beginnt ganz unschuldig mit der Frage nach den Änderungen in der neuen Ausgabe der Wettfahrtregeln. Aha, Zone mit 3 Bootslängen statt 2-Längenkreis; ich kann als Luvboot jetzt auf der Raumen auch tiefer als den richtigen Kurs segeln, solange ich mich freihalte. Dann wird’s ernst, weil konkret. Nacheinander werden Situationen buchstäblich auf den Tisch gelegt. Kaffeehäferln, Fruchtsaftgläser und Bierdeckel sowie die typisch schräg gehaltenen Handflächen symbolisieren Bojen, Boote und Wind. Zum Glück gibt es einen Wisser am Tisch (nicht mich, ich scheitere – sorry, Stefan – oft schon an Backbord/Steuerbord), der alles geduldig erklärt. Mein Fazit: es ist erstaunlich, welch vage Regelkenntnisse reichen, um auf eigentlich recht ansprechendem Niveau regattieren können.
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Macho, Macho? Politisch völlig korrekt indoktriniert schaue ich auch beim Segeln fast schon automatisch durch die Gender-Brille. Wettfahrtleitung: weiblich, die Männer dürfen die Bojen setzen. Geschlechterverteilung auf den Booten (als Quotenmann auf ‚meiner‘ Frauensprinto bin ich da natürlich fein heraußen): Bei den 20ern zwei Frauen, alle auf dem vorletzten Boot, keine Steuerfrau; bei den 15ern eine Frau auf dem letzten Boot, keine Steuerfrau; bei den Sharks 9 Frauen, alle in der 2. Hälfte, keine Steuerfrau; bei den Sprintos nur ein Drittel der Boote ohne Frauen, die beiden Ersten mit gemischter Besatzung und 1,5 Steuerfrauen (bei einem Boot wurde verbotenerweise laufend gewechselt). Schlussfolgerung: Frauen, segelt Sprinto ;)