Ressort
Kein Ressort gesetzt!
Segelfreunde und jene, die zu solchen alle vier Jahre mutieren, blicken im August nach Qingdao. Im Medaillen-Hype vergisst man gern, dass auch noch andere anderswo segeln. Unbekannte, aber nicht Uninteressante. Systemerhalter, die den Sport stützen.
Bradley Cameron verdient sein Geld auf der Straße. Trucker ist er und ausgeben tut er seine Kohle fürs Segeln. Wären alle wie er, könnte die Branche ruhig schlafen. Sechs Boote in 12 Jahren sind ein guter Schnitt. „Beim Fahren”, sagt Cameron, „hab ich Zeit, über Verbesserungen nachzudenken und Regatten zu analysieren.” Leuchtet ein, ein Sattelschlepper ist ja fast wie ein Schiff.
Dabei hatte die Segelei ihn am Anfang gar nicht lieb. Er wuchs auf einem Boot auf und als er sechs war, wollte die Familie von San Francisco nach Hawaii. Gebrochene Backstagen, kaputtes Ruder, Leck im Wassertank, Sturm und Kotzen ohne Ende ruinierten den Spaß an der Freud. Die Umkehr wurde zur Abkehr vom Leben auf See. Nach dem Tod der Mutter ging Cameron mit 17 nach Mississippi, doch bald holte ihn Heimweh zurück nach Kalifornien. Das Hackeln am Bau war trist, die Wiederentdeckung des Segelns auf einer J24 ausgleichende Gerechtigkeit; bald war er Flottenmeister. Dann kreuzte eine Frau in sein Leben, die er auf Törn mitnahm. Der Kompatibilitätstest funktionierte, Debbie ist heute Frau Cameron. Kinder gibt’s keine, aber zuerst einen Tornado, später eine Force 5 (ein Laserverschnitt). Motto: Speed ist nass und nass macht Spaß. Das machte Appetit auf Red Stripe, einen gealterten 30-Füßer, der noch Substanz hatte. Leute, die beim Renovieren halfen, waren auch beim Segeln erste Wahl, und alles lief bestens. Bis der Wahnsinn das Ruder übernahm, bei einer windigen Pimperlregatta auf der Bay. Der Spi stand, das Boot flog, und der nahende Schlepper mit Schotterkahn war Nebensache. „Klar zu Halse!” befahl Brad voll Selbstvertrauen, doch am Bug brach Chaos aus. „A classic clusterfuck”, gefolgt von extremer Schräglage. Vorne der Kampf mit Nylon, Nerven und nackter Angst, hinten Festhalten, Fluchen, Hoffen. Im letzten Moment kam der Fetzen runter. Der Schlepper passierte vorne, der Kahn hinten. „Das Schleppseil hing weit durch und irgendwie kamen wir davon, ohne uns umzubringen.” Red Stripe wurde gegen einen 25-Fuß-Backdecker getauscht, denn Cameron wollte immer noch nach Hawaii. Die Idee, auf dieser Kiste die 2.100 Meilen dorthin solo im Renntempo zu segeln, blieb ein solche, Debbie sei Dank. Ersatz ist schon gebucht: Contender-WM am Ontariosee, wo 1976 um olympisches Metall gesegelt wurde. Das fügt sich bestens. „Boot, Klasse und Leute sind meine Kragenweite”, sagt Bradley Cameron. Erwartungen für die erste WM seines Lebens? „Top 50 und ich bin happy.” Ein Held wie wir eben.