Ressort
Kreuzpeilung
Advent, Zeit für einen Besuch des Weihnachtsengerls. Assam Gold aufgebrüht, Kekse auf den Teller, freundlicher Blick meinerseits. Das Engerl schlürft bedächtig den ersten Schluck. Dann meint es nach kurzem Lob für die Vanillekipferl lakonisch: „Widerruf – ich erwarte Widerruf und Abbitte von dir.“ Meine Gesichtszüge, fühle ich deutlich, entgleisen. Die Flucht: ebenfalls ein Schluck Tee, umständlich zwischen Linzer Auge und Rumkugel delektieren. Siedend heiß fallen mir meine Vergehen ein: begehrliche Blicke auf Busen-Bauch-Bein-Po jenseits der Besten aller Frauen, Verwünschung des Chefredakteurs, die Liste ließe sich lange fortsetzen. „Ihr Himmlischen habt ja einen alles durchdringenden Blick, muss ich wirklich … alles?“ „Nur das Wichtigste.“ Ich beginne nachzudenken, da wedelt mir der Gefiederte brüsk mit Ausdrucken vor dem Gesicht herum. „Mein Computerlog zeigt Internet-Surfen auf der Homepage von America’s Cup und Volvo Ocean Race. Analysen zeigen, dass du dir die Videos, ja sogar Live-Streaming, stundenlang reinziehst.“ Ich ahne, was kommt. „Und hier“ – das Engerl hat plötzlich alte Ausgaben der Yachtrevue in der Hand – „deine offizielle Position. Muss ich die vorlesen oder …?“ Meine Körpersprache sagt alles. Ich weiß: öffentliche, despektierliche Bemerkungen über behäbiges Zwei-Kufen-Segeln, das niemals einen taktisch anspruchsvollen America’s Cup erlauben wird; Fadesse pur als Folge; die Unmöglichkeit, Segeln live gut einzufangen und kompetent zu kommentieren. Und jetzt hänge ich auf www.americascup.com rum und bin begeistert, fasziniert und lerne auch noch was.