Ressort
Kreuzpeilung
Jollensegler sind stolz auf ihre abgewetterten Stürme. Jeder hat seine G’schichterln von Siebner-Fetz’n mit Achter-Böen parat, wo Regatta oder Training eigentlich abgebrochen gehört hätte und man trotzdem weitergesegelt ist, wilde Ritte am Vorwind inklusive. Daher war ich daher einigermaßen irritiert, als Martin, unser kompetenter Breitenbrunner Ausbildner, im Rahmen der FB-2-Kurse „heilige Furcht“ vor viel Wind predigte und seine Verachtung für diese „war storys“ im Fahrtenseglerbereich äußerte. Segeln im Sturm, so sein Credo, zeige meist, dass man nicht ausreichend geplant habe oder zu riskant segle.
Szenenwechsel: Adria, vor Anker mit einer Elan 45 und einer Sun Odyssey 43 in der Pavlešina an der Nordspitze von Ugljan. Beunruhigender Wetterbericht mit Regen und Gewitter. Dableiben? Die Bucht ist nach Süden weit offen und wir haben hinter uns noch etwa 40 Meter. Oder rausfahren in eine geschütztere Bucht? Wir entscheiden uns für Letzteres und wollen bei Südost mit rund 15 Knoten mit ordentlichem Reff in Rollgroß und Genua zur knapp 6 Seemeilen entfernten Mala Rava im Süden. Plötzlich nur mehr Welle und Flaute. Groß also weiter einreffen, ein Fetzerl der Fock stehen lassen und abwarten. Prompt kommt aus Norden der 45-Knoten-Hammer, gemeinsam mit ganz schlechter Sicht, tropisch anmutenden Wolkengüssen sowie Donner und Blitz im Minutentakt. Unser Schwesterschiff verlieren wir aus den Augen, der Regen peitscht waagrecht, aber zum Glück von achteraus. Wir fahren unter Motor mit regelmäßigem GPS-Check sowie einer Landpeilung nach Süden. Als Skipper und Navigator versuche ich angesichts der relativ unerfahrenen Crew Entspanntheit auszustrahlen, die älteste Tochter tut als gute Steuerfrau das ihre. Endlich Mala Rava – rein in die Bucht. Der Regen jetzt waagrecht von vorne, Sicht ist nur unter Einsatz aller Tricks möglich. Ein Stoßgebet um eine freie Boje findet Erhörung, der erste Anlegeversuch schlägt fehl, aber dann klappt’s, alles in Butter. Das verlorene Schwesterboot taucht später auch wieder auf: War zuerst in einer anderen Bucht, ein Blitz legte Elektronik und Kommunikation lahm.
Alles paletti also oder doch zu riskant? Ich weiß es nicht, aber seitdem weiß ich was mit „heiliger Furcht“ gemeint war. Klar, eigentlich alles harmlos: „nur“ 45 Knoten Spitze, keine wirkliche Welle, alles im geschützten Kornatenbereich … Aber die Gewalten wurden ansatzweise spürbar. Und: Wenn der Motor was gehabt hätte, wäre es happig, wenn auch noch die Genua den Geist aufgegeben hätte, sogar kritisch geworden. Zuletzt: Hochachtung vor allen, die wenig Segelerfahrung haben und so etwas gut und richtig bewältigen.