Inbegriff der Eleganz
Die 1931 gebaute Sea Cloud war einmal die größte private Segelyacht der Welt und bietet heute maximal 64 Gästen Luxus auf Zeit. Manfred Ruthner durfte das spezielle Ambiente auf einer Karibik-Reise genießen
Das Bett ist herrlich bequem, die Kabine luxuriös – und doch muss man zumindest einmal um sechs Uhr früh raus an Deck und dabei sein, wenn sich die Sonne als Feuerball aus dem Meer hebt. Das Schauspiel lässt sich am bequemsten von der Blauen Lagune aus beobachten, einem riesigen Diwan am Heck, auf dem man in weichen Polstern versinkt. Bald werden die Segel gesetzt: Geschickt entern die Matrosen die Rahen und lösen die Segel, vom Klüver bis zum Besan rauscht das weiße Tuch herunter, füllt sich mit Wind und die alte Lady nimmt in vollem Kleid Fahrt auf.
Um neun Uhr wird über die Bordlautsprecher der Wetterbericht verlautbart, dazu gibt es Hinweise auf das Tagesprogramm. Im eleganten, mit Eichenholzgetäfelten Restaurant, dem ehemaligen Salon, ist das Frühstück vorbereitet. Tafelsilber und edles Porzellan auf hellem Leinentuch, dazu am Buffet eine appetitlich angerichtete Auswahl an feinsten Leckereien. Hauchdünn geschnittener Schinken, würziger Käse, perfekt gereifte, tropische Früchten, allerlei Gebäck; individuelle Bestellungen werden umgehend in der Küche zubereitet. Bei freier Platzwahl lernt man rasch andere Mitreisende kennen. Viele sind passionierte Segler, die sich mit der Reise auf der Sea Cloud einen lang gehegten Traum erfüllen. Die Hälfte der Passagiere war schon zumindest einmal auf diesem Windjammer unterwegs, auf unserer Fahrt sind immerhin zehn Österreicher dabei.
Stets als Gast willkommen ist man auf der Brücke. Kapitän Sergej Komakin, der seit 18 Jahren auf der Sea Cloud unterwegs ist und sie seit sieben Jahren führt, erklärt gerne die alten Instrumente, die heute nur musealen Charakter haben, und führt, wenn gewünscht, auch in die Kunst der Navigation mit dem Sextanten ein. Die Sea Cloud ist sein Leben – genau so wie für den Hotelmanager Szymon, einen gebürtigen Polen, der seit 35 Jahren an Bord ist. Jetzt treibt er gerade den Pianisten Uwe zur Eile an – „Andiamo, andiamo, maestro!“, der mittags auf dem Lidodeck, abends im Salon für musikalische Unterhaltung sorgt. Uwe stammt von der Nordseeküste und sein Repertoire umfasst so viele Stücke, dass in zehn Tage keine einzige Melodie zwei Mal zu hören ist.
Niemals Langeweile
Einzigartig ist auch die so genannte Foto-Safari: Bei passenden Wind- und Wellenverhältnissen dürfen die Gäste auf Beibooten den Windjammer unter voller Besegelung begleiten, ihn in seiner ganzen Pracht und Größe bestaunen und von allen Seiten fotografieren. Der mitreisende Lektor, ein wahres wandelndes Lexikon in Sachen Großschifffahrt, gibt später einen spannenden Einblick in die bewegte Geschichte der Sea Cloud, erzählt aber auch Wissenswertes über die Ziele, die wir während dieser Reise angesteuern.
Kurz vor Sonnenuntergang kann man zusehen, wie die Segel wieder aufgetucht werden. Voll konzentriert balancieren die jungen Mädchen und Burschen in Schwindel erregenden Höhen, bergen zügig das schwere Tuch und verzurren es. In der Nacht wird stets unter Maschine gefahren, das verlangt die Vorschrift.
Während wir den malerischen Sonnenuntergang bewundern, hat der Stewart in der Kabine das Bett aufgedeckt und die frischen Handtücher in Kunstwerke verwandelt; heute warten kleine Elefanten auf uns. Beim Cocktail lässt es sich der Kapitän nicht nehmen, mit jedem der 60 Gäste persönlich zu plaudern, dann bittet er zum gemeinsamen Dinner in den Salon. Die Tische in der ehemaligen Bibliothek sind wunderschön gedeckt, die frischen Blumen liebevoll arrangiert. Das Personal spricht einen vom ersten Tag an mit dem Namen an und kennt sehr bald Vorlieben und Geschmäcker der einzelnen Gäste. Nach dem Dinner trifft man sich am Lidodeck zu einem Digestiv unterm Sternenhimmel.
Wer es sich leisten kann, zieht sich irgendwann in eine der beiden Eignerkabinen zurück. Jede ist knapp 40 m2 groß und verfügt über Kamin, Schreibtisch sowie begehbaren Kleiderschrank. Das Badezimmer ist aus Carrara-Marmor, die Schwanenhals-Armatur am Waschtisch aus Gold. Wer eine Außenkabine gebucht hat, wohnt auf dem Lido- oder Promandendeck auf 11 bis 13 m2. 18 Stück gibt es, sie sind erst Ende der 1970er Jahre entstanden und haben große Panoramafenster.
Kurs Kuba
Begonnen hat unsere Reise in Havanna. Die 1931 gebaute Sea Cloud passt mit ihren geschichtsträchtigen Planken, den edlen Hölzern und funkelnden Messingbeschlägen ausgezeichnet zu den alten Kolonialbauten, die Kubas Hauptstadt prägen.