Bodensee Rund Um
Hunderte Segler machen sich Jahr für Jahr in den Abendstunden auf den hundert Kilometer langen Rundkurs um den Bodensee. Verena Diethelm ist dem Reiz der traditionsreichen Langstreckenregatta auf den Grund gegangen
Üblicherweise ist vor jeder Regatta das Wetter das beherrschende Thema. Vor der diesjährigen Rund Um drehten sich die Gespräche jedoch vorrangig ums Holz. Denn kurz vor dem jährlichen Saisonhöhepunkt spülte der Hochwasser führende Rhein so viel Treibholz in den Bodensee, dass ganz Vorarlberg ein Jahr lang mit Brennmaterial versorgt werde hätte können. Wenn es denn jemand herausgeholt hätte ...
In den Häfen des Obersees war teilweise vor lauter Holz kein Wasser mehr zu sehen und genau im Start- und Zielgebiet vor Lindau und der Schachener Bucht bildeten sich zwei große Treibholzfelder.
Grund genug für so manchen High-Performance-Racer, die Teilnahme an der größten Bodensee-Regatta auf den Prüfstein zu stellen. So verzichteten der Gewinner von 2016, Ralph Schatz, sowie Katamaran-Spezialist Helge Sach auf einen Start. Auch der Vorjahressieger bezeichnete das Risiko einer Treibholzkollision als „sehr hoch“. „Bei mehr als zwei Beaufort wird es kriminell. Wir haben beschlossen, den Stecker zu ziehen, wenn es kritisch wird", bekundete Sammy Smith, dem zudem der Schrecken der Bol d'Or in den Knochen saß. Bei dem schweren Unwetter am Genfersee war der Skipper der Green Horny eine Minute unter dem Trampolin des gekenterten Kats gefangen gewesen.
Mit Spannung wurde das Debüt des foilenden Monohulls Gonet erwartet, der einen Topspeed von über 30 Knoten erreichen kann und als heißer Titelfavorit galt. Für Skipper Eric Monnin stellte das Treibholz "russisches Roulette" dar. "Wir haben eine Spannweite von sechs Metern und horizontale Foils. Das ergibt einen richtig schönen Rechen. Aber solange wir nicht fliegen, sind wir nicht schlechter gestellt als andere", erklärte der derzeit drittbeste Matchracer der Welt.
Kurzfristig stand sogar eine Startverschiebung auf Samstagfrüh im Raum, was allerdings einen Bruch mit allen Traditionen der seit 1953 hauptsächlich in der Nacht stattfindenden Regatta bedeutet hätte. Als sich herauskristallisierte, dass es eine sehr schwachwindige Rund Um werden würde, war der Notplan daher schnell wieder vom Tisch.
Für das Gros der 317 gemeldeten Yachten stellte das Treibholz auf Grund der zu erwartenden Bootsgeschwindigkeiten sowieso nur ein lästiges Übel, das es zu umschiffen galt, aber keine Gefahr für Boot, Leib und Leben dar. Das galt auch für uns: Das Champagne Sailing Team hatte sich mit den Bodensee-Kennern Hermann und Arthur Thüringer zusammengetan und bestritt das Rennen mit deren Familienboot Fuge, einer Elan 295, die schon unzählige Male um den Bodensee gekreist war.
Gordischer Knoten
Zwischen dem Startschiff, dem Schaufelraddampfer Hohentwiel und der Startboje liegen 2,7 Kilometer. Genug Platz für alle, sollte man meinen. Dennoch kommt es beim Start, der planmäßig um 19:30 erfolgt, Jahr für Jahr zu turbulenten Szenen. Heuer bildete sich beim Startschiff sogar so ein Knäuel, dass Wettfahrtleiter Achim Holz im Nachhinein vom "reinsten Chaos" sprach.
Obwohl wir geplant haben, in der zweiten Reihe zu starten, um die Bordwände der Fuge und die Nerven ihres Eigners zu schonen, finden wir uns, mit Schwung von hinten kommend, trotzdem schnell mitten im Zentrum des Irrsinns wieder. Ein Glück, dass der Wind nur äußerst schwach aus Nordost weht und es zu keinen gröberen Schäden kommt. Die Boote stehen Reling an Reling und man könnte die Startlinie durchaus trockenen Fußes abschreiten. Komplett ineinander verkeilt, schiebt sich der Knäuel über die Linie. Wir atmen auf, als wir endlich frei kommen und wegwenden können.
Als Entschädigung für den turbulenten Start werden wir mit einer traumhaften Kulisse belohnt. Vereinzelt kämpfen sich Sonnenstrahlen durch die dunkle Wolkendecke und tauchen den See in einen goldenen Schimmer. Hinter uns erhebt sich der Pfänder über das Rheindelta, die davor tanzenden bunten Vorsegel erinnern an einen Schmetterlingsschwarm. Der Nordost frischt etwas auf und wir rauschen unter Spi in den Sonnenuntergang. Magisch!
Zwischen den Bahnmarken Romanshorn und Eichhorn senkt sich die Dunkelheit bleiern über das Feld. Der Blick auf das Lichtermeer in unserem Kielwasser ist beeindruckend, wir könnten auch in Manhattan sein.