Die weißen Flecken auf der Seekarte
Interview: Die Seenomaden Doris Renoldner und Wolfgang Slanec über Merino-Unterwäsche und schüchterne Grönländer
Yachtrevue: Ihre aktuelle Reise hat 2012 in der Adria begonnen, im März 2015 haben Sie Kuba erkundet. Eine Option für die weitere Route lautete Panamakanal und Südsee. Warum ist es dann doch der hohe Norden geworden?
Doris Renoldner: Das klingt vielleicht komisch, aber wir wollten noch einmal ein Abenteuer erleben, uns ins Unbekannte wagen. Noch haben wir den Biss und die Energie, die dafür nötig sind. Südsee, das geht auch, wenn wir älter sind.
Wolfgang Slanec: Grönland stand schon länger auf unserer Liste, es hat aber aus unterschiedlichen Gründen nie geklappt. Mal waren wir zu spät dran, mal war das Wetter zu schlecht, einmal hatte ich gravierende Probleme mit meinem Rücken. Wenn wir es jetzt nicht angegangen wären, hätten wir es nie gemacht. Außerdem gab es da diesen dicken Packen Seekarten an Bord, den wollten wir nicht ungenutzt wegwerfen …
YR: Was reizt Sie an Grönland?
Slanec: Die Wildnis, das Gefühl, weit weg von allem zu sein. Karibik, Passatroute, das ist Urlaubssegeln. Aber Urlaub ist nicht unser Ding, wir wollen reisen, etwas erleben und entdecken. Wenn du auf der üblichen Route unterwegs bist, eingebettet in den Strom der anderen Yachten, gelingt dir genau das nicht. Wir suchen die weißen Flecken auf der Seekarte, das reizt uns.
Renoldner: Ich hatte bestimmte Bilder von Grönland im Kopf und wollte wissen, ob sie der Realität entsprechen.
YR: Tun sie das?
Renoldner: Ja absolut. Ich habe noch nie so majestätische Eisberge gesehen. Es schwimmen dir silbrig schimmernde Schlösser, Burgen und Kathedralen entgegen. So schön, dass man am liebsten jeden einzelnen Eisberg unter Denkmalschutz stellen möchte. Die Küste ist rau, wild und karg, es gibt keine Bäume, wenig Straßen, nur Felsen und arktische Tundra. Eine ergreifende Kargheit.
Slanec: Die Schönheit liegt oft im Detail. In winzigen Pflanzen oder einem bestimmten Licht. Am besten haben uns die extrem langen Tage mit ihrer immerwährenden Helligkeit gefallen. Und ab Herbst natürlich das Nordlicht.
YR: Was hat Ihnen am wenigsten gefallen?