Traumwandeln in den Tropen
Claudia und Jürgen Kirchberger stromerten durch die Inselwelt von Französisch Polynesien und genossen das einfache Leben in den Lagunen
Eine leichte Dünung findet ihren Weg bis in die Bucht von Hokaui, wo sich La Belle Epoque träge vor Anker wiegt. Vor uns weiter Sand, zu beiden Seiten eingerahmt von dunklen Felsen. Eine einzelne Hütte wacht über den einsamen Strand, umringt von Zitrussträuchern und Kokospalmen. Dahinter streckt sich ein spektakuläres Tal – einst das Tal der Könige von Nuku Hiva. Es ist umgeben von Bergen aus Vulkangestein und tropischer Vegetation. Wasserfälle schießen über die Hänge, Paradiesvögel flattern im warmen Aufwind vor Felswänden.
Wir haben das Eiland Nuku Hiva erreicht, das zur Gruppe der Marquesas, dem östlichsten Teil von Französisch Polynesien, zählt. Wie aus dem Nichts erheben sich die tropischen Inseln aus den Tiefen des Südpazifiks und bilden eine schimmernde, verlockende Perlenkette. Verlockend speziell für Segler aus Europa, denn die weit verstreuten Marquesas sind französisches Überseegebiet und die Behörden stellen allen EU-Bürgern eine uneingeschränkte Aufenthaltsgenehmigung aus. Wir können das Paradies also ohne Eile genießen.
Voll Vorfreude schlüpfen wir in unsere Wanderschuhe und machen uns auf den Weg in die ehemalige Welt der Könige und Krieger der Kaioi. Entlang eines kleinen Flusses geht es durch ordentlich angelegte Gärten voll Taro, Bananen und Pampelmusen; süß steigt uns der Duft von reifen Früchten in die Nasen. Nur noch neun Familien leben in Hokaui, sie bauen Obst an, trocknen Kokosnüsse zu Kopra, sammeln Nüsse und schießen wilde Ziegen, deren Fleisch sie im nahen Dorf Taioahe verkaufen. Irgendwann verlieren die Gärten an Struktur und werden von dichtem Dschungel abgelöst. Dort finden wir zahlreiche Anzeichen früherer Besiedelung. Vergessene Tikis aus Stein – alte Götterstatuen – ragen zwischen den Büschen hervor, am Fuße einer Tempelplattform spüren wir sogar einen umgeworfenen Opferaltar auf, an dem einst Menschenopfer dargebracht wurden; auch die dazugehörige Gruft für die unglücklichen Gefangenen fehlt nicht. Als die steilen Felsen näher zusammen rücken und die Vegetation sich lichtet, stoßen wir auf einen hohen Wasserfall über senkrecht aufragenden Bergen – wir haben das Ende des Tals erreicht.
Zurück am Ankerplatz treffen wir Michael, den Besitzer der einzigen Hütte am Strand. Er gibt gerade ein Festmahl für seine Familie, die aus Taioahe zu Besuch ist, und lädt uns zum Essen ein. Ziegenbraten in Kokosmilch, Brotfrucht und Kochbananen brutzeln am Feuer neben der Hütte. Wir sind sprachlos über die Gastfreundschaft der Polynesier, die uns zum Abschied auch noch ein großes Stück Ziegenfleisch für die Weiterreise schenken.
Versunkene Vulkanberge
Vor uns liegen über 500 Meilen zur nächsten Inselgruppe von Französisch Polynesien, dem Tuamotus Archipel. Mit vollen Segeln ziehen wir Richtung Südwesten. Sind sie einmal getrimmt, müssen wir tagelang kaum noch an den Schoten zupfen und der Wachrhythmus an Bord stellt sich wie von selbst ein – ein Traum. Jeden Tag legt La Belle Epoque bis zu 130 Seemeilen zurück. Wir verzeichnen zwar keine Rekorde, erreichen aber ganz entspannt unser erstes Atoll in den Tuamotus.
Was für ein Gegensatz zu den Marquesas.