Auszeit unter Palmen
Abenteuer. Das österreichische Paar Petra Gwiß und Jürgen Schmidt segelte 2024 gemeinsam mit Tochter Frieda drei Monate lang durch die Karibik – ein Langzeit-Törn, der den Horizont der gesamten Familie enorm erweiterte
8. Februar 2024. Wir befinden uns mit unserer Sun Odyssey 49 Sahrzad in einem Ankerfeld vor Terre de Haut, einem dünn besiedelten, verschlafenen Inselchen im Süden von Guadeloupe. Das Meer ist ruhig, rundum bereiten die Seglerinnen und Segler ihren Sundowner vor. Gegen 20:00 Uhr frischt der Wind auf. Unsere Bucht ist gegen alle Richtungen geschützt, außer gegen Westen. Aber Sturm von Westen gibt es in der karibischen Passatzone eigentlich nicht. Gegen 21:00 Uhr lesen wir auf der Anzeige dennoch 30 Knoten Wind ab – von Westen. Wir liegen relativ nahe am Ufer, auf einer Wassertiefe von ca. vier Metern und damit in einer Zone, in der die Wellen brechen können. Als der Wind noch stärker wird, tritt der Worst Case ein: Der Anker löst sich, Sahrzad beginnt zu driften und treibt in Richtung Riff. Mit dem Motor kämpfen wir gegen die brechenden Wellen an. Da die Kette mit einer Ankerkralle am Bug festhängt, können wir zu diesem Zeitpunkt auch den Anker nicht lichten. Nach einer Stunde gelingt es endlich, unsere Yacht von der Ankerkralle zu befreien. Wir fahren quer durch das dichte Ankerfeld, nur weg vom Ufer, weg von diesem Riff. Draußen liegt das Boot von Freunden, der 72 Fuß lange Katamaran BigEmotions. Wir ankern in unmittelbarer Nähe in einer Wassertiefe von 14 Metern, für die wir eigentlich keine ausreichende Kette haben, nicht bei dieser Welle und nicht bei diesem Wind. Aber das muss jetzt reichen. Im Notfall könnten wir unsere Freunde auf der BigEmotions um Hilfe bitten. Und es reicht tatsächlich. Am nächsten Morgen ist alles ruhig. In unserer WhatsApp-Vernetzungsgruppe wird das Bild einer Oceanis 43 gepostet, die, ähnlich wie wir, sehr nahe am Ufer lag. Diese Crew, eine Familie aus Frankreich, hat es nicht geschafft. Das Schiff wurde auf das Riff gedrückt. Es ist völlig zerstört, der Traum von der Weltumsegelung geplatzt.
Rückblende. Ein Jahr davor saßen wir gemeinsam mit unserer zehnjährigen Tochter Frieda im Wohnzimmer. Vor uns lag die große Karte eines für uns unbekannten Segelreviers, vor uns lag aber vor allem ein großes Abenteuer und unser großer Traum. Drei Monate quer durch die Karibik auf der Sahrzad, einem Boot, das uns ein in New York lebender Freund für diese Zeit überlassen wollte. Frieda würde vom Schulbesuch befreit und per „Boat Schooling“ unterrichtet werden; die Bildungsdirektion hatte dafür die Genehmigung erteilt, ihre Volksschule unterstützte unser Vorhaben.
2024 wurde der Traum Realität. Wir segelten von der Südspitze Grenadas über die Windward- und Leeward-Islands bis zu den British Virgin Islands, von dort Richtung Westen durch die US und Spanish Virgin Islands, südlich vorbei an Puerto Rico und letztlich über die Mona-Passage in die Dominikanische Republik. Wir bereisten 13 Länder, legten 1.700 Seemeilen zurück und genossen eine unglaublich abwechslungsreiche Zeit. Das gesamte Gebiet besteht aus vulkanischem Gestein, das aus dem Wasser ragt. Die Inseln zeigten sich uns bunt, schön und sehr unterschiedlich – das betrifft die Natur, aber auch die gesellschaftlichen Strukturen und die Lebensweise. Fauna und Flora, sowohl über als auch unter Wasser, sind atemberaubend. Und die See ist rau, wesentlich rauer, als wir es erwartet hatten. Die Karibik ist ein durchaus anspruchsvolles Segelrevier und sollte nicht unterschätzt werden.
Highlight über Highlight
Südlich der Hauptinsel von St. Vincent and the Grenadines, nicht allzu weit von Grenada entfernt, liegen die Tobago Cays. Sie bestehen aus fünf unbewohnten Inseln und sind vom Horse Shoe Reef umgeben. Durch dieses Riff wird die Atlantikdünung ferngehalten und es konnte sich eine ganz spezielle Fauna im Wasser entwickeln.