Abseits der Routen
Griechenland. Es gibt Abschnitte im Ionischen Meer, die kaum einer kennt und wo kaum jemand hinfährt. Dazu gehört der Ambrakische Golf. Er wurde von Werner Meisinger besucht und für sehenswert befunden
Einer der größten Wälder Griechenlands befindet sich bei Preveza. Es ist das Bootslager bei der Cleopatra Marina. Ein Mastenwald von mehr als tausend Stangen ragt dort in den Himmel. Gegenüber liegt Preveza Marina. Hundert Masten und mehr. Keine zehn Meilen südlich befindet sich Levkas Marina. Ein paar hundert Masten.
Die hier versammelten Yachten befahren sehr überwiegend das Inselreich von Korfu, Paxos und Antipaxos oder sie strömen durch den Lefkas-Kanal südwärts, um zu den berühmtesten Ionischen Inseln zu gelangen, Ithaka, Zakynthos, Kerkyra, man kennt sie aus der klassischen Literatur.
Die wenigsten Boote gehen ostwärts in den Ambrakischen Golf. Die wenigsten Skipper kennen den Ambrakischen Golf.
Inmitten eines Fahrtgebiets voll bezaubernder Inseln mit hervorragender Infrastruktur für Bootsreisende liegt er hinter einer unauffälligen Einfahrt bei Levkas als zwanzig Meilen langer und 15 Meilen breiter Beutel ohne Ausgang. Sackgassen werden von Yachties überwiegend gemieden, sofern sie keine besonderen Attraktionen bieten.
Der Ambrakische Golf bietet einige Attraktionen, doch keine, die nach dem klassischen Verständnis moderner Touristen herausragend wären – blauer, größer, Instagram-tauglicher. Seine Ufer sind weitgehend frei von historisch bedeutenden Bauwerken und völlig frei von touristischen Highlights. Die Gastronomie in den Orten rund um den Golf kann mit dem kulinarischen Angebot der hoch frequentierten Häfen im Ionischen und Adriatischen Meer in puncto Reichhaltigkeit und Eleganz nicht mithalten, die Gelegenheiten zum Shopping sind bescheiden. Marinas mit W-Lan, Wasser, Wäscherei? Fehlanzeige. Rod Heikell, die große Autorität im Fachgebiet der Revieranalysen, schreibt zwar von „einigem guten Segeln“, das der Golf offerieren kann, doch das tut jedes Gewässer, wenn es nur tief genug ist und hin und wieder Wind hat. Wer den Ambrakischen Golf als Fahrtgebiet wählt, tut das nicht in Erwartung spektakulärer Anblicke und Dienstleistungen. Die meisten Segler, die sich darin herumtreiben, tun es aus gegenteiligen Motiven: Um wegzukommen von allem, was aufregend sein könnte.
Faszination der Stille
Der Ambrakische Golf ist eine kleine, stille Welt für sich. Mit wenigen Ausnahmen herrscht die Ruhe über allen Ufern. Drei kleine Städte und zwei Ortschaften sind an den Küsten zu finden, der Rest der Bauwerke ist Streugut. Nur eine der Siedlungen hat sich den Yachtreisenden entschieden zugewandt und einschlägige Infrastruktur geschaffen, Vónitsa bzw. Anaktorio. Neben dem alten, für Yachten zu seichten Hafen wurde ein Dock mit Moorings gebaut. Genauer: Es wird immer noch gebaut. Einiges an Beton ist schon da, bis Wasser, Strom und vielleicht sogar Duschen hinzugefügt werden, kann es noch dauern. Man liegt vor einer Baustelle, aber immerhin gut geschützt und sicher angebunden.