Über den Fluss und in die Wälder
Hausboot. Die Mecklenburgische Seenplatte bietet die Gelegenheit zu einer großen Seefahrt abseits des Meeres. Werner Meisinger hat sie genutzt und ein erlebnis- wie abwechslungsreiches Revier für sich entdeckt
Die letzte Eiszeit endete vor etwa 12.000 Jahren und hinterließ die Erdoberfläche etwa so, wie wir sie kennen. Beeindruckende Landschaftsbilder haben die Eisschilde nach ihrem Rückzug hinterlassen – gewaltige Täler, mächtige Flüsse und ausgedehnte Hügellandschaften. Im Norden Europas auch einige Seenplatten. Für Menschen mit einer Präferenz zum Boot als Fortbewegungsmittel sind diese besonders interessant.
Die Mecklenburgische ist nach der Finnischen Seenplatte die zweitgrößte Europas. Sie erstreckt sich über eine Fläche von 6.400 km2 und ist damit fast so groß wie das Land Salzburg. Raum genug für ausgedehnte Bootstouren.
Einige Bootstypen fallen dafür aus. Kielboote beispielsweise, weil die meisten Seen und verbindenden Wasserwege seicht sind. Schnelle Motorboote auch, weil zum Schutz der Ufer und der übrigen Natur Geschwindigkeitsbeschränkungen verordnet sind. Bleiben kleine, mit Muskelkraft betriebene Boote und als Alternative für jene, die Komfort der körperlichen Anstrengung vorziehen, Hausboote. Davon sind weit mehr als hundert auf der Mecklenburgischen Seenplatte unterwegs.
Was nach Übertourismus, Staugefahr und überfüllten Häfen klingt, ist in diesem Revier aber gut verträglich. Die Mecklenburgische Seenplatte umfasst rund tausend Seen mit einer Wasserfläche von 180 km2. Wenn auch nicht alle per Hausboot erreichbar sind, so verteilt sich der Verkehr doch bis an die Grenze zur homöopathischen Dichte. Manche Gewässer hat man – zumal in der Nebensaison – ganz für sich allein.
Der Vielzahl an Hausbooten entspricht der Formenreichtum dieser Fahrzeuge. Sehr beliebt auf der Mecklenburgischen Seenplatte ist der Typ „Floß“. Dass es sich dabei um ein Schwimmfahrzeug handelt, ist erst aus der Nähe zu erkennen. Auf streng rechteckigen Plattformen – kein Bug, kein Heck – mit einem Freibord von einem halben Meter oder weniger stehen flächendeckend Häuschen mit Dachterrasse und Veranden. Auf der vorderen Veranda befindet sich der Steuerstand, sozusagen Parterre, wer mag, kann beim Steuern seine Beine ins Wasser hängen lassen.
Die Version schwimmendes Haus gibt es auch in architektonisch anspruchsvolleren Formen, z. B. in der Art von Schneckenhäusern (das nennt man „Bungalow-Boot“), und im XL-Format mit mehr als 16 Metern Länge. Dazu kommen Fahrzeuge, die von ihrer Gestalt eindeutiger als Boote zu klassifizieren sind. Den überwiegenden Teil zu dieser Flotte steuern die Hausboot-Vercharterer bei, die einen eigenen Bootstyp entwickelt haben: maximal geräumig, maximal komfortabel, rundum dick gepolstert und in der motorischen Performance überschaubar. Die Beschränkung auf Langsamkeit ist dem Verwendungszweck angemessen, denn mehr Stoff gäbe keinen Sinn: Auf der Mecklenburgischen Seenplatte gilt überwiegend Höchstgeschwindigkeit 6 km/h.
Wer in bootstouristischen Angelegenheiten auf Segelyachten alphabetisiert wurde, lernt auf diesen Schiffen Neues hinzu. Zum Beispiel, dass man für die Steuerung eines Schiffes keine Ruderanlage braucht. Gesteuert wird mit Hilfe der schwenkbaren Schraube und – wenn es eng wird – per Bugstrahlruder. Das geht tadellos, wenn auch das Umschalten von Vorwärtsfahrt auf Rückwärtsfahrt einige Sekunden in Anspruch nimmt. Rasant abstoppen lassen sich diese Gefährte also nicht.