Liebe, Glaube, Hoffnung
Formula Kite. Der ehemalige Freestyler Valentin Bontus holte den Sieg in einer Spielart des Kitens, die ihm vor drei Jahren noch völlig fremd war. Dass er damit als erster Olympiasieger in dieser Disziplin Sportgeschichte schrieb, setzt einen Tupfen auf das i
Er ging als Erster über die Linie und hatte damit Gold in der Tasche. Wie sehr Valentin Bontus diese nun unumstößliche Tatsache nicht fassen konnte, zeigte seine Körpersprache unmittelbar nach dem Zieldurchgang. Mehrmals zuckte er ungläubig die Achseln und breitete seine Arme mit nach oben zeigenden Handflächen vor der Brust aus – eine Geste der Fassungslosigkeit, nicht der Freude: Ist das jetzt echt geschehen? Was habe ich getan? Erst einen Moment später verwandelte sie sich in eine typische Jubel-Pose, noch später sprang er hoch in den Himmel, der sich blitzblau über Marseille wölbte. Er war Olympiasieger, und das in einer erstmals unter den fünf Ringen ausgetragenen Disziplin. Er hatte nicht nur die kühnsten Hoffnungen erfüllt, sondern sich auch in die Annalen eingetragen.
Wie es endete, so hatte es auch begonnen – nämlich mit einem Sieg.
An dieser Stelle macht es Sinn, das bei diesen Spielen einzigartige Format der Kite-Foiler kurz zu erklären: Opening Series kennt man (und da gewann Bontus eben das erste Rennen), doch die besten Zehn steigen nicht in ein Medal Race, sondern in eine Medal Series auf. Sie besteht aus Semifinali und Finale, in denen jeweils vier Athleten gegeneinander antreten, am Schluss wird um die Medaillen gekämpft – und wer als Erster drei Siege einfährt, hat gewonnen. Jene, die die Opening Series auf den Rängen eins und zwei beendet haben, sind für das Finale fix gesetzt, der Führende bekommt dafür von vornherein zwei, der Zweite einen Race-Win gutgeschrieben. Die restlichen acht Kiter müssen in die Semi-Finali, die jeweils besten Zwei steigen mit einem Null-Konto auf. Zu dieser Gruppe mit der schlechtesten Ausgangsposition zählte auch Bontus. Den Gesamtsieg zu holen, glich also einer Herkules-Aufgabe.
Und doch meisterte sie der 23-Jährige mit Bravour, indem er die Medal Series so kurz wie nur möglich hielt und ohne zu fackeln drei Wettfahrten in Serie gewann. Gold für Österreich, genau wie das 470er-Duo Lara Vadlau und Lukas Mähr am Tag davor. Ein kleines Binnenland als Großmacht im Segelsport. Die Nation stand Kopf.
Auf der richtigen Seite der Waagschale
Ein Durchmarsch ohne jeden Hänger also? Keinesfalls, sagt Matthias Schmid, der Sportdirektor des Segelverbands. Denn in der Opening Series gab es durchaus (vom OeSV-Medienteam vor Ort kaum kommunizierte) Rückschläge. „Die hätten sich zum Knackpunkt entwickeln und die Waagschale nach unten drücken können“, ist Schmid überzeugt und benennt diese Knackpunkte auch. „Valentin hat zum Beispiel den Protest, den der Italiener wegen einer kurzen Berührung der Kites gegen ihn eingelegt hat, verloren und sich damit ein DSQ statt Rang 5 eingehandelt. Er musste auch einen letzten Platz hinnehmen, weil er aufgrund einer Kollision gestürzt war.