Französische Revolution
Früher Vogel. Die deutsche Werft bringt mit Hanse 360 und 590 zwei Weltpremieren zum Yachting Festival nach Cannes. Die Yachtrevue hatte Gelegenheit, die 360er vorab in Greifswald an der Ostsee zu testen
In den letzten Jahren ist im Yachtbau generell viel weitergegangen, für die Hanse-Palette war zudem der Wechsel von Judel/Vrolijk & Co. zu Berret-Racoupeau eine echte Zäsur. 2021 zeichneten die französischen Konstrukteure mit der Hanse 460 das erste von aktuell fünf neuen Modellen für die deutsche Werft und die wurde prompt zu Europas Yacht des Jahres 2022 gewählt. Die internationale Jury würdigte das innovative Rumpfkonzept, das zum ersten Mal in der Geschichte von Hanse Yachts sogenannte Chines vorsah, die kompromisslose Breite, Styling, Platzangebot und Segelverhalten. Die 460er war aber auch der Startschuss für das neue Gesicht der Hanse-Palette, die nun von einem unverkennbaren, eigenständigen Erscheinungsbild geeint ist. Anders gesagt: Eine neue Hanse-Yacht wird man künftig auf den ersten Blick erkennen.
Charakterkopf
Die Besonderheiten der Linie stechen auch bei der Hanse 360, dem kleinsten Newcomer hervor. Berret-Racoupeau haben, wie die meisten französischen Konstrukteure, sehr früh auf Chines gesetzt und ihre Kreationen im Lauf der Jahre mit unterschiedlichen Arten dieser seitlichen Abrisskanten versehen. Gespielt wurde außerdem mit deren Verlauf, wobei Racoupeau im Fall der Hanse 360 die sogenannten Softchines achtern hoch am Heck beginnen und diese auf Höhe der Wasserlinie in der Mitte des Rumpfes auslaufen lässt. Exakt dort beginnen dann markante Hardchines, die bis zum Bug führen. Die Kombination beider Chine-Arten generiert eine schlanke Wasserlinie mit gering benetztem Unterwasserschiff. Die Hardchines im Vorschiffsbereich sorgen aber nicht nur für ein schmales Unterwasserschiff und weiches Eintauchen in Wellen, sondern auch für zusätzliches Volumen im vorderen Bereich. Achtern hingegen sind Softchines erste Wahl, weil man dadurch das Unterwasserschiff schlank gestalten konnte und erst über der Wasserlinie in die Breite ging. Das erklärt auch, warum die Softchines hoch oben am Rumpf beginnen.
Mit weiteren Tricks verliehen die findigen Konstrukteure der Hanse 360 eine sportliche Optik. Dazu gehören Rezesse bei sämtlichen Rumpfluken sowie ein flacher Kajütaufbau mit konkaver Silhouette, der am Vorschiff sanft ansteigt, im Bereich des Salons am höchsten ist und achtern zum Cockpit hin wieder flach ausläuft. Unverkennbar und typisch für alle Hanse Yachten ist die massive Fußreling, die man getrost als Schandeck bezeichnen kann. Sieht optisch gut aus und dient der Sicherheit an Bord. Ein weiteres interessantes Feature ist die Fallenabdeckung am Kajütdach, die auch einige Zentimeter über die achteren Seitenfenster im Kajütaufbau nach unten gezogen wurde. Diese Maßnahme lässt den Aufbau niedriger erscheinen und sorgt für ein markantes Erscheinungsbild. Zudem kann man besagte Luken, die nach innen aufgehen, auch bei Regen öffnen, ohne dass es auf den Herd oder in die achtere Nasszelle plätschert – nicht lebenswichtig, aber definitiv sinnvoll.