Einzigartige Leistungen
Golden Globe Race. Mit Michael Guggenberger erreichte erstmals ein Österreicher einen Podestplatz bei einer Weltumsegelungsregatta, die Südafrikanerin Kirsten Neuschäfer schrieb als Siegerin internationale Sportgeschichte
Wir erinnern uns: Das Golden Globe Race führt auf 32 bis 36 Fuß langen Retro-Serienyachten solo und nonstop um die Welt, wobei weder moderne Navigationshilfen oder Kommunikationsmittel noch andere Elektronik genutzt werden dürfen. Am 4. September 2022 fiel vor Les Sables-d’Olonne der Startschuss zur zweiten Auflage dieses ungewöhnlichen Rennens. Es wurde von einer Frau und 15 Männern in Angriff genommen, als einziger deutschsprachiger Skipper war der Österreicher Michael Guggenberger Teil der Flotte. Dank seines Hauptsponsors, der kultigen Sardinen-Marke Nuri, verfügte er über ein ordentliches Budget und hatte seine Biscay 36, aber auch sich selbst akribisch auf dieses Abenteuer vorbereitet. Belastbares Material und mentale Stärke würden die wichtigsten Erfolgsfaktoren sein, glaubte er – und damit sollte er Recht behalten.
Denn wie bei der Erstauflage 2018/19, als nur fünf von 17 Teilnehmern ins Ziel kamen, bröckelte auch das Feld im aktuellen GGR nach und nach weg. Manche verkrafteten die psychischen Belastungen einer Solo-Fahrt nicht und gaben auf, andere, darunter der französische Hochsee-Profi und Favorit Damien Guillou wurden von Schäden aus dem Rennen geworfen. Am Ende waren es lediglich drei Yachten, die in der Wertung blieben – und Guggenbergers dottergelbe Nuri zählte zu diesem erlesenen Kreis. Der gelernte Zimmermann, der erst 2011 den Segelsport für sich entdeckt hatte, machte den Sack zu und beendete nach 249 Tagen auf See seine 30.000 Meilen lange Runde um den Globus. Als Dritter und gleichzeitig letzter Teilnehmer setzte er einerseits den Schlusspunkt hinter das Rennen und durfte andererseits das Siegertreppchen besteigen; damit nahm er einen Platz ein, der vor ihm noch keinem anderen Österreicher vergönnt gewesen war. „Dieses Rennen hat mich mehr verändert, als ich erwartet hätte“, zog er bei der Pressekonferenz eine erste Bilanz, im persönlichen Gespräch danach konkretisiert er diese Aussage: „Ich habe in diesen langen Monaten am Wasser natürlich seglerisch viel gelernt, aber die bedeutsamere Entwicklung hat in meinem Kopf stattgefunden. Ich bin persönlich gewachsen und fühle mich heute ruhiger und freier als jemals zuvor.“ Die ersten vier Wochen des Rennens wären vor allem aufgrund der Einsamkeit sehr belastend gewesen, sagt der 45-Jährige, danach sei er in einen gewissen Flow gekommen. Als zweite schwierige Phase hat Guggenberger den Abschnitt zwischen Falkland Inseln und Kapverden in Erinnerung: „Nach der Rundung von Kap Hoorn denkst du, du hast es geschafft, und dann realisierst du, dass du jetzt zwei weitere Monate im Atlantik unterwegs sein wirst, ehe Europa in Sicht kommt, und das auch noch durchstehen musst.“
Zwei Mal, nämlich auf dem Weg zum Kap Hoorn und vor den Azoren, erlitt Guggenberger in heftigem Sturm einen Knockdown. „Grundsätzlich muss man damit rechnen, ich war auch gut darauf vorbereitet und habe keine wesentlichen Schäden davongetragen“, erzählt er, „aber diese Vorfälle haben mich emotional extrem mitgenommen. Ich war zittrig und psychisch angeschlagen und habe jeweils eine Woche gebraucht, bis ich mich wieder getraut habe Gas zu geben. Mit dieser Reaktion hätte ich nicht gerechnet.“ Überhaupt wäre seine Stimmungslage sehr schwankend gewesen: „Im Laufe eines Tages war ich mal traurig, dann wieder glücklich, ängstlich oder aggressiv. Aber ich habe gelernt, all diese Emotionen zuzulassen, sie nicht zu analysieren oder darüber nachzudenken, sondern alles kommen und gehen zu lassen und mit mir und meiner Situation zufrieden zu sein.“ Hat er jemals ans Aufgeben gedacht? Unzählige Male, beschönigt Guggenberger nichts: „Es gibt tausend Gründe für einen Abbruch, aber nur ein einziges Motiv um weiterzumachen – weil man es eben schaffen will.“ Diesen Willen hat er aufgebracht und sich damit einen Traum erfüllt.
Die brave Nuri wurde inzwischen ausgeräumt und steht nun zum Verkauf. „Um 130.000 Euro ist sie zu haben und sie ist so gut in Schuss, dass sie ein weiteres Mal um die Welt segeln könnte!“, so Guggenberger, der inzwischen nach Österreich zurückgekehrt ist. Was er in nächster Zukunft machen wird, steht noch nicht fest, diverse Projekte und Pläne nehmen gerade Formen an. Ehe er diese in Angriff nimmt, möchte Michael Guggenberger aber ein paar Wochen Urlaub machen. „Die letzten drei Jahre waren sehr anstrengend“, so sein Resümee, „und ich kann ein bisschen Erholung echt gut brauchen.“ Das glaubt man ihm sofort.
Stille Heldin, beglichene Rechnung
Rund zwei Wochen vor Guggenberger kreuzte Kirsten Neuschäfer, die das Feld seit Ende Jänner angeführt hatte, die Ziellinie und sicherte sich damit auf ihrer 36 Fuß langen Minnehaha den Sieg – als einzige Frau im Feld und als erste Frau überhaupt bei einer Regatta rund um die Welt. Zwischendurch hatte sie zudem ihren finnischen Kollegen Tapio Lehtinen, dessen Yacht bei moderaten Bedingungen aus nach wie vor ungeklärten Gründen gesunken war, aus dem Indischen Ozean gefischt und an ein Frachtschiff übergeben. Dass sie die Zeitgutschrift von 35 Stunden, die ihr dafür zugestanden wurde, gar nicht hätte einlösen müssen, macht ihern Triumph noch bemerkenswerter.
„Es ist nicht nötig, mir für diese Rettungsaktion zu danken“, ließ sie die Rennleitung nach erfolgreicher Bergung wissen, „jeder Segler würde das für einen anderen tun.“