Traue keinem bedruckten Rücken!

Crew-Disziplin. Dies ist die Geschichte von den sieben Zwergen. Und sie ist kein Märchen!

Traue keinem bedruckten Rücken!

Marina Pantera, Nordspitze Dugi Otok, Kroatien. Wieder einmal legt mein Freund Goran neben mir an. Der Profi-Skipper wirft die erste Heckleine mit der linken Hand, holt die Muring mit dem Bootshaken in der rechten Hand und wirft die zweite Heckleine mit einer unsichtbaren dritten Hand direkt in den Handschuh des Marineros. In die weitläufige Bucht war er ein paar Minuten zuvor unter Autopilot eingelaufen, weil er auch noch die Fender ausbringen musste.

„Wo ist deine Crew“, frage ich ihn im Scherz, während ich als hilfsbereiter Nachbar seine Muring dichthole. Ich gehe davon aus, dass es sich um einen Überstellungstörn handelt und er tatsächlich allein an Bord ist. Doch er findet meine Frage nicht witzig. „Alle in Salon“, antwortet er grantig. „Machen schen sich fir die Land.“ Das halte wiederum ich für einen Scherz.

Doch plötzlich tauchen sieben Menschen im Cockpit auf. Alle mit weißer Hose, blauem Leiberl und roter Zipfelmütze. „Das ist meine sieben Zwerge“, lacht Goran. „Aber große Unterschied: Bin ich nicht die Schneewittchen. Und diese Zwerge nix arbeiten. Ibahaupt nix!“ Die Crew marschiert im Gänsemarsch Richtung Dusche. Mit einheitlichen Handtüchern. Die einzigen Unterschiede zwischen den perfekt uniformierten Superzwergen bestehen in den Aufdrucken auf deren Rücken. „Bugmann“, „Steuermann“ oder „Schotmann“ statt „Schlafmütz“, „Hatschi“ oder „Pimpel“ wie im Disney-Film.

Obwohl sie nicht „Heiho, heiho, wir sind vergnügt und froh“ singen, bin ich beeindruckt: „Find’ ich super! Jeder hat seine fixe Position.“ Daraufhin stößt Goran ein Schimpfwort aus, das weit über die Grenzen Kroatiens hinaus ein Begriff ist: „Bura!“ [Hierbei handelt es sich nicht um das Original, denn „Bura“ bedeutet lediglich „Sturm“, klingt aber lautmalerisch sehr ähnlich wie das nicht druckreife Originalschimpfwort.] „Aber ist ganz falsche Buchstaben auf T-Shirt“, ergänzt er. „Misste stehen: ,Stinkfaule Tourist‘ auf Rücken von alle sieben!“

Dann schildert der erfahrene Skipper aus Split die vergangenen fünf Törn-Tage. „Fahrst du heute vierzigste Jahr! Stellst du fest: Wieder was Neues gelernt, hast du! Fragst du Bugmann, wo Bug? Geht er zu die Heck. Fragst du Rudergänger, wo ist Ruder? Will er holen Paddel von Dingi. Aber findet nicht, weil sitzt auf Backskiste, wo ist drinnen Paddel! Fragst du Schotmann, wo Genua? Sucht er Italien auf Tablet. Fragst du Navigator irgendwas, holt er Bier aus Eisschrank. Nur wenn gibt Arbeit, alle sofort wissen, dass missen verschwinden in Kabine.“

In diesem Augenblick empfinde ich es insgeheim wieder einmal als sehr klug von mir, eine Karriere als Profi-Skipper niemals ernsthaft in Betracht gezogen zu haben. Besonders, weil es seit einigen Jahren unüblich ist und sogar als verwerflich gilt, Crewmitglieder auszupeitschen.

Ich habe ein Glas Wein vor mir stehen: „Komm’ rüber, trinkst du auch eines?“ Goran nickt. „Rot oder Weiß?“, frage ich. „Whiskey“, antwortet er. „Farbe mir egal. Aber nicht so kleine Glas wie du, bitteschen.“ Jetzt will ich wissen, aus welchem Land die Crew stammt, die den hartgesottenen Dalmatiner in den Alkoholismus treibt. „Große Geheimnis“, sagt der Profi. „Aber kleine Hinweis: Kannst du schimpfen auf Deitsch.“ Ich schließe messerscharf: „Das heißt: weder aus Deutschland noch aus Österreich?“ Darauf Goran: „Das hab’ ich nicht gesagt! Aber auch wenn Crew verstehen dich, mir völlig egal ist.“

Bis heute verstehe ich nicht, wie sich ausgerechnet ein Profi wie Goran eine derart atemberaubende Crew eintreten konnte. Trotzdem hab’ ich wieder einmal etwas von ihm gelernt: „Darfst du nie glauben Worte, die was geschrieben auf Kleidung von Leute! Auch wenn steht POLICIJA, musst du fragen: Hast du Waffe? Und gibst du Dienstnummer?“

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