Ein Oscar fürs Hafenkino

Special Effects. Hinter der einen oder der anderen Komödie verbirgt sich in Wahrheit eine Tragödie

Ein Oscar fürs Hafenkino

Würde das nicht ein urheberrechtliches Problem auslösen, so müsste man Oscars für die besten Darbietungen im Hafenkino vergeben. Kategorien wie bester Haupt- und bester Nebendarsteller würden sich ebenso aufdrängen wie Soundtrack und Regie. Vor allem in meiner seglerischen Anfängerphase habe ich mich oft grün und blau geärgert über so manchen klugscheißenden Hafenkino-Voyeur. Vor allem, wenn seine verschränkten Arme auf und ab hüpften, weil der unter ihnen liegende Gössermuskel vor Lachen bebte. Weniger arrogante Alleskönner nahmen hingegen die eine oder andere Leine entgegen, halfen wortlos und äußerten gelegentlich konstruktive Kritik. Aber sicher erst nach Abschluss des Manövers.

Heute habe ich erstens auch einen Gössermuskel, zweitens muss ich mir manchmal kräftig auf die Unterlippe beißen, um nicht vor Lachen loszubrüllen. Doch mich amüsieren weniger die Hafenmanöver selbst. Viel mehr erheitern mich die Kommentare so mancher Protagonisten.

Etwa der: „Unser Skipper ist der Größte! Sebastian, das war dein Meisterstück!“ Diesem von bewundernder Erotik durchzogenen Begeisterungsschrei ist ein durchschnittliches Anlegemanöver vorausgegangen. Totale Windstille, keine Strömung, eine ausreichend breite Lücke in einer der wenigen großzügig angelegten kroatischen Marinas. Der Skipper fordert daraufhin vehement und lautstark den Manöverschluck ein und gesteht bei seinem Trinkspruch: „Ich hätte das niemals ohne Bugstrahlruder und ohne diese fantastische Crew geschafft!“

Kurz denke ich, dass es sich um ein Satireprojekt handelt. Was bin ich doch für ein alter Esel! Als ich meine Segelprüfung machte, war das Bugstrahlruder gerade einmal erfunden, jedoch ausschließlich den Yachten echter Filmstars vorbehalten. Ich gebe zu, dass ich diese Errungenschaft vor allem in den immer enger werdenden kroatischen Marinas heute selbst zu schätzen weiß. Ich maße mir auch nicht an, ein Ausnahmetalent in Sachen Hafenmanöver zu sein. Doch ich werde den Eindruck nicht los, dass die Lizenz zum Segeln inzwischen leichter zu erwerben ist als die eigentliche Fähigkeit.

Der Beweis für diese beunruhigende These folgt am Abend desselben Tages in der Pizzeria. Besagte Crew besiedelt den Nachbartisch. Skipper & Co. überbieten einander mit Beweisen ihrer Kompetenz. „Nach zwei Stunden war der ganze Kurs samt Prüfung erledigt“, prahlt Sebastian. „Ich musste nur mit Hilfe von zwei Bierkapseln skizzieren, wie eine Halse geht“, berichtet sein Co-Skipper René. Ein etwas reiferer Mitstreiter gibt an, dass er lediglich sein kroatisches Küstenpatent aus dem Jahre Schnee umwidmen lassen musste. Eine so genannte Segelschule habe diesen Service gegen den Einwurf kleiner Münzen erst neulich angeboten. „Dabei habe ich den Jugo-Schein damals für zwei Packerln guten österreichischen Kaffee vom Hafenkapitän bekommen, ohne eine einzige Frage beantworten zu müssen“, ergänzt er lachend. Alle anderen lachen auch.

Mir ist das Lachen vergangen. Nicht etwa, weil der Aufwand für meinen Segelschein geringfügig höher war: Etwa 15 x 5 Stunden Abendkurse für die Theorieprüfung. „Die Seemannschaft“ auswendig gelernt. Zwei Wochen Übungstörns. Drei Adria-Überquerungen, vier Nachtfahrten, ein paar tausend Seemeilen. Schließlich eine Praxisprüfung, bei der ich fast durchgeflogen wäre, weil ich eine Halse nicht vollständig durchkommandiert hatte. Mir wird schlagartig bewusst, wie viel geballte Verantwortung derzeit in den Küstengewässern unterwegs sein muss.

Am nächsten Morgen drängen sich Sebastian & René tatsächlich für einen Oscar auf. Und zwar in der Kategorie Special Effects: Muring am Kiel gefangen, Kinke in der Heckleine, Fender im Wasser, hektisch herumirrende Crew, ein Schmerzensschrei, absurde Kommandos. Schließlich die ernüchternde Weisung des Marineros: „Skipper, bitte! Du warte, bis alle andere Boot ist weg, okay?“

Und da soll man dann ernst bleiben?

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