Palermo, wir haben ein Problem
Matchrace. Das dramatische Duell zwischen künstlicher Intelligenz und natürlicher Dummheit
Neulich ergänzten wir einen Segeltörn in den Liparischen Inseln mit einer Rundreise auf Sizilien. Im Leihwagen änderte ich sofort den Sprachmodus vom Navi. Schwerer Fehler. Noch vor der Ausfahrt vom Porto di Palermo sagte die Synchronstimme der Film-Göttin Gina Lollobrigida: „Am Hafen Diplomingenieur Palermo linke Fährte benützen“. Später flötete Lollo: „500 Meter rechts halten auf Straße Öl Diplomingenieur Lino“. Hörte sich an wie die dringende Aufforderung, in der Werkstatt „Lino“ das Öl wechseln zu lassen. Tatsächlich handelte es sich um den Vorschlag, die Via Olio di Lino erst in einem halben Kilometer zu verlassen. Beim Kommando „Links abbiegen auf Platz Prinz Diplomingenieur Camporeale“ (Piazza Principe di Camporeale) wurden wir stutzig: „In Palermo leben nur Technik-Uni-Absolventen“, wunderte sich meine Frau.
Als uns die Film-Diva den Auftrag erteilte „Geradeaus fahren auf Schritt Diplomingenieur Rigano“ (Passo di Rigano), war klar: Dieses Übersetzungsprogramm wurde nicht von einer künstlichen Intelligenzbestie gefüttert, sondern von einem natürlichen Volltrottel.
Abgesehen davon, dass das italienische Wörtchen „di“ nur sehr selten „Diplomingenieur“ bedeutet, sind wörtliche Übersetzungen von Straßennamen maximal gut gemeint. Das wiederum entspricht dem genauen Gegenteil von gut, weil man die grotesken Wortgeschöpfe ja auf keinem Straßenschild findet.
Auch wenn sich meine Generation Captain Iglo erbittert wehrt: Ich bin gar nicht so ein Feind der künstlichen Intelligenz. Vorbei sind nun einmal die Zeiten, in denen AI noch nicht Artificial Intelligence bedeutete, sondern „Faultier mit 2 Buchstaben; senkrecht“. Oder KI „Autokennzeichen der Hafenstadt Kiel; 2 waagrecht“. Eine gefährlichere Seuche als die künstliche Intelligenz ist die natürliche Dummheit. (Ein intelligentes Kreuzworträtsel könnte dagegen übrigens wie ein Arzneimittel wirken.)
Segler sind die Letzten, die sich gegen die KI zur Wehr setzen. Wer hätte je gedacht, dass wir eine Charteryacht übernehmen, in der wir den Kartentisch vergeblich suchen? Konstrukteure sparen nicht etwa das vierte Häusel ein, um Platz zu schaffen. Sie verzichten lieber auf die vom Skipper beanspruchte Fläche, auf der das Logbuch geführt und die Kartenarbeit verrichtet werden sollte.
Ein kurzer Blick in die nahe Zukunft: Tablet kugelt irgendwo im Salon herum, lädt sich automatisch über eine Photovoltaik-Windkraft-Hybridzelle beim Verklicker und nach einer Patenthalse verklickert dir die Synchronstimme von Bruce Willis via Cockpit-Lautsprecher: „Yippie ya yeah, Schweinebacke! Bei nächster Gelegenheit bitte wenden!“ Nach einer klitzekleinen Grundberührung krächzt Udo Lindenberg aus der Box: „… aber sonst ist heute wieder alles klar, auf der Andrea Doria“. Lang bevor die Borawalze über dem Velebit aufzieht, singen die Scorpions „Wind of Change“. Arnie Schwarzenegger brüllt: „Hasta la Vista, Baby!“ Und das ist auch hörbar auf der Yacht, die du in diesem Moment in Luv überholst. Wenn der Crew-Älteste vom Kurs abkommt, zitiert Clark Gable – Hollywood-Superstar der 50er-Jahre – irgendwas aus dem Klassiker „Vom Winde verweht“.
Für meine Nachfolgegenerationen werden die Stimmen selbstverständlich aktualisiert: Würde das KI-Navi einen östlichen Kurs bevorzugen, sagt Burgtheater- und Filmstar Felix Kammerer: „Im Westen nichts Neues“. Wenn der Kurs passt, schleimt Justin Bieber irgendwas von „All Around The World“.
Mögen uns Neptun, Äolus und in der Nacht auch noch Apollo – der römische Gott des Lichtes – beschützen vor jeder Pan-Pan- oder Mayday-Situation! Wenn trotzdem etwas Schlimmes passieren sollte, gibt es immer noch Tom Hanks, der mit ruhiger Stimme sagt: „Houston, wir haben ein Problem.“
Statt Houston, je nach Bedarf eben Palma, Pula, Piräus oder Diplomingenieur Palermo.