Gekommen, um zu bleiben
Voll im Trend. Elektromobilität hat eine lange Geschichte, im Sog des Fortschritts auf der Straße setzen sich auch am Wasser strombetriebene Fahrzeuge mehr und mehr durch. Die Entwicklungen bei aktuellen Booten und Yachten beleuchtet Roland Regnemer
Andreas Flocken aus Coburg gilt als Erbauer des ersten Elektroautos; der kutschenähnliche Flocken Elektrowagen nahm seinen Betrieb im Jahr 1888 auf. Das war ziemlich genau fünfzig Jahre nachdem Moritz Hermann von Jacobi mit einem Gleichstrommotor in einem umgebauten Ruderboot die Newa in St. Petersburg befuhr. 1883, also fünf Jahre früher, beförderte bereits ein Elektroboot für die Internationale Elektrische Ausstellung als Fährschiff bis zu 40 Personen von Wien nach Bratislava (damals Pressburg). 1910 war es mit der Elektromobilität auf den Straßen allerdings fast wieder gänzlich vorüber, ähnlich verhielt es sich mit der gewerblichen sowie breiten Freizeitschifffahrt. Aber eben nur fast. Vor allem auf den heimischen Binnenseen gehören die schwach motorisierten Elektroboote bis heute zur touristischen Grundausstattung und österreichische Werften haben eine lange Tradition im Bau von elektrisch betriebenen Booten. So verließ vor Kurzem das 300. Frauscher 650 Alassio E-Boot die Werft in Ohlsdorf, seit Bestehen des Betriebes wurden mehr als 3.000 Stück mit Elektromotor ausgeliefert. Beim Kärntner Familienbetrieb Schmalzl wurde das erste elektrisch angetriebene Wasserfahrzeug vor über sechs Jahrzehnten zu Wasser gelassen. Was sämtlichen heimischen Produzenten und Händlern gemein ist: Der Großteil der E-Boote fällt auf jene führerscheinfrei zu fahrenden Mietboote, die von der Alten Donau in Wien über die Salzkammergut-Seen bis an den Wörthersee bei Sommer und Sonnenschein das Bild am Wasser prägen.
Vermutlich wurden heimische Bootsbauer genau aus dieser Tradition heraus auch zu Pionieren der Hochleistungselektrifizierung. Dabei sind die Herausforderungen an die Elektromobilität am Wasser grundsätzlich jenen am Land sehr ähnlich. Reichweite, Lademöglichkeiten und System-Sicherheit dominieren auf Kundenseite die Überlegungen. Die gänzlich anderen Anforderungen an das Leistungsmanagement und damit die Steuerung von Batterie und Motor haben mit den bereits erprobten Antrieben aus dem KFZ jedoch so gut wie nichts zu tun. Augenscheinlich wurden die Unterschiede in den letzten Jahren im Rahmen der Zusammenarbeit von Yacht- und Autoherstellern. International denkt man an Candela und Polestar, doch auch heimische Werften haben hier Ausrufezeichen gesetzt.
Coole Kooperationen
So präsentierte die Frauscher Bootswerft im letzten Herbst eine limitierte Auflage von 25 Stück einer gemeinsam mit Porsche elektrifizierten 850 Fantom Air. Das bedeutet bis zu 400 kW Spitzenleistung samt 100 kWh an Batteriespeicher statt 430 PS aus 6,2 l Hubraum, verbaut im bewährten 8,67 m langen Rumpf des Frauscher-Klassikers. Herzstück ist die gesamte Elektroantriebseinheit des heuer im Frühjahr vorgestellten Porsche Macan. Eine Novität und ein Quantensprung, wie Stefan Frauscher bei der Präsentation erklärte: „Normalerweise hält eine Entwicklung aus dem Automobilbereich erst ein Jahrzehnt später Einzug in die Bootsbranche. Wir haben das gemeinsam mit Porsche auf den Kopf gestellt.“ Für Kopfzerbrechen sorgten zunächst die Anforderungen an die Leistungsbereitstellung der Motor-/Batterieeinheit an den Antriebsstrang bzw. schlussendlich an den Propeller und so floss in Folge jede Menge Hirnschmalz bei den Technikern beider Unternehmen. Ist man beim Auto vom sofort bereitstehenden vollen Drehmoment und der damit verbundenen Beschleunigung positiv überrascht, verhält es sich am Wasser anders.