Auf die Plätze, fertig, los!
Mitte Jänner startet vor Alicante die 14. Auflage von The Ocean Race. Judith Duller-Mayrhofer fasst die wichtigsten Fakten zusammen und gibt einen Überblick zu den teilnehmenden Teams
In Etappen um den Erdball, auf Yachten, die von einer Crew gesegelt werden. Das sind die wenigen unveränderten Grundpfeiler, auf denen diese Regatta beruht. Ansonsten blieb seit der Premiere, für die im September 1973 der Startschuss fiel, kaum ein Stein auf dem anderen. Siebzehn Mannschaften gingen damals vor Portsmouth über die Linie, ein buntes Sammelsurium an Mensch und Material, zu bewältigen galt es vier Teilstrecken mit Stopps in Kapstadt, Sydney und Rio, das schnellste Team trug den Sieg davon. Whitbread Race hieß das Rennen, benannt nach der gleichnamigen britischen Brauerei, die als Hauptsponsor fungierte. Es wurde in Folge alle vier Jahre ausgetragen und erlangte bald Legendenstatus. Als mit Volvo zur Jahrtausendwende ein neuer Geldgeber das Ruder übernahm, herrschten bereits völlig andere Rahmenbedingungen. Die Teilnehmer traten in einer Einheitsklasse an, es gab ein komplexes Punkte-Wertungssystem, Hafen-Rennen sowie deutlich mehr Etappenziele. Die zunehmende Professionalisierung war unübersehbar, der ursprüngliche Abenteuer-Spirit mehr und mehr in den Hintergrund gerückt; Medienpräsenz und Sponsor-Events gewannen an Bedeutung. 2017/18 stand das Rennen zum letzte Mal unter der Schirmherrschaft von Volvo, es wurde auf VO65-Racern, über zwölf Etappen und mit sieben teilnehmenden Teams ausgetragen. Danach ließ sich kein neuer Hauptsponsor finden, daher firmiert die Regatta seither unter The Ocean Race, kurz TOR. Sie hätte im Herbst 2021 starten sollen, wurde aber aufgrund der Pandemie auf 2022 verschoben.
Womit wir in der Gegenwart wären. Am 15. Jänner fällt der Startschuss zur 14. Auflage dieser Hetzjagd um die Welt, die Route führt von Alicante nach Genua, sieht sieben Teilstücke, aber keinen Zwischenstopp in Asien oder Neuseeland vor und beinhaltet die längste Etappe aller Zeiten. 12.750 Seemeilen müssen die Teilnehmer zwischen Kapstadt, Südafrika, und Itajaí, Brasilien, in einem Rutsch zurücklegen; 32.000 sind es insgesamt.
IMOCA60: Große Namen, kleines Feld
Ausgeschrieben ist das TOR für zwei Gruppen, als attraktives Herzstück sollten die foilenden IMOCA60 dienen, die nicht nur in eine sehr aktive Szene eingebunden sind, sondern auch bei der Solo-Nonstop-Weltumsegelungsregatta Vendée Gobe zum Einsatz kommen. Die doppelte Nutzung sollte die Meldungen für das TOR befeuern, doch diese Erwartung erfüllte sich nicht. Das Anforderungsprofil dieser Veranstaltungen ist so unterschiedlich, dass es schwierig sein dürfte, mit ein und derselben Yacht bei beiden Rennen Erfolg zu haben, und so nahmen nur fünf Skipper diese parallele Herausforderung an; kleiner war die Flotte in der 50-jährigen Geschichte des Rennens noch nie. Positiv ist der Umstand, dass es keine echten Underdogs in diesem Mini-Feld gibt. Jedes Team sitzt auf einem kompetitiven Schiff und könnte für einen Sieg gut sein, man darf also auf einen spannenden Rennverlauf hoffen. Apropos Team: Dieses besteht aus jeweils vier Personen, darunter verpflichtend eine Frau, plus einen Onboard-Reporter, wobei die Besetzung für jede Etappe neu zusammengestellt werden darf.
Der Erste, der sich offiziell zu einer Teilnahme an TOR und Vendée Globe bekannte, war Boris Herrmann. Der Deutsche gab bei VPLP eine Yacht in Auftrag, die den oben erwähnten Spagat bewältigen soll, die daraus resultierende Malizia – Seaexplorer wurde im Juli 2022 zu Wasser gelassen und im September bei der Défi Azimut erstmals im Wettkampfmodus gesegelt. Letzter Test vor dem TOR war die Route du Rhum, bei der Solo-Transatlantik-Regatta ging Herrmann aber gar nichts auf. Er blieb in der Flaute hängen, hatte mit Material-Problemen zu kämpfen und belegte nur Rang 24 bei den IMOCAs. Herrmann spielte diese Niederlage gewohnt eloquent herunter und gab sich in Interviews und Presseaussendungen weiterhin zuversichtlich, doch die deutschen Fans waren bitter enttäuscht. Nicht super.
Über eine gelungene Generalprobe durfte sich hingegen Kevin Escoffier freuen, der die Route du Rhum auf dem vierten Platz beendete. Er hatte erst im August 2022 und damit als Letzter seine offizielle Meldung für das TOR abgegeben, Auslöser dafür war der Verkauf seines Hauptsponsors PRB an den Schweizer Konzern Holcim (beide zur Bau-Branche gehörig) gewesen. Das führte nicht nur zur Umbenennung seiner Yacht, die aus der Feder von Guillaume Verdier stammt, auf Holcim PRB, der neue Geldgeber zeigte sich auch bereit, Escoffier die Teilnahme am TOR zu finanzieren. Eine Chance, die sich der 42-jährige Franzose natürlich nicht entgehen ließ. Er war als Bugmann von Dongfeng beim VOR 2014/15 dabei gewesen und hatte mit dem unter chinesischer Flagge segelnden Team drei Jahre später die nächste Auflage gewonnen. Nun will er als Skipper um den Sieg kämpfen und wird dafür als Top-Favorit gehandelt.