Vollendete Tatsachen
Die zweite Hälfte seiner Afrika-Umrundung führte den Oberösterreicher Michael Puttinger zur gefährlichsten Hafeneinfahrt der Welt, den Austernfrauen in Gambia und an ehemalige Verbannungsorte im Südatlantik
Wenn eine Region Wild Coast heißt, braucht man sich keine Illusionen darüber machen, was einen an ihren Gestaden erwartet. Dem Oberösterreicher Michael Puttinger, der sich im Sommer 2019 von Pula aus aufmachte, um mit seiner Sunbeam 34S Webik den afrikanischen Kontinent zu umsegeln (siehe Yachtrevue 1/22), war also bewusst, was auf ihn zukommen würde. Schon bei der Fahrt nach Richards Bay, einer Stadt, die strenggenommen noch gar nicht zur Wild Coast gehört, kämpfte er gegen Sturm und Strömung; die Böen waren so stark, dass der Rettungsring aus der Halterung gerissen wurde.
Puttinger hatte eigentlich geplant, seinen Törn in Südafrika zu unterbrechen, um Weihnachten zu Hause zu verbringen, doch wie so oft auf dieser Reise machte ihm die Pandemie einen Strich durch die Rechnung. Im Endeffekt erwies sich das aber als glückliche Fügung, da ihm so mehr Zeit für das Erkunden der südafrikanischen Küste blieb.
Das Wilde der Wild Coast rührt vom Agulhasstrom her, der entlang der Ostküste Afrikas mit durchschnittlich fünf Knoten nach Süden setzt und ein Umkehren zum Ausgangshafen unmöglich macht, wenn sich das Wetter verschlechtern sollte. Bereits bei moderatem Gegenwind von 15 Knoten sorgt die Strömung-gegen-Welle-Konstellation für sehr hohen Seegang. "Zwischen den Schutzhäfen liegen 250 bis 300 Seemeilen, für die man meist ein günstiges Wetterfenster von zwei bis drei Tagen hat", bringt Puttinger die Problematik auf den Punkt. Günstig ist ein Wetterfenster dann, wenn gerade ein Tief durchgezogen ist. "Dann fahren alle Weltumsegler gleichzeitig los. Es ist wie eine Regatta, die damit beginnt, wer sich als Erster beim Hafenkapitän abmeldet", berichtet der 32-Jährige, der auf diesem Törn von seiner Freundin Verena begleitet wurde. Bezahlt machte sich dabei die Regattaerfahrung des Skippers, denn wie so oft ist der kürzeste Weg nicht unbedingt der schnellste. Während die Weltumsegler, die meist auf weit größeren Yachten unterwegs sind, in Landnähe blieben, fuhr Puttinger einen vermeintlichen Umweg weit aufs offene Meer und war dennoch der Erste im nächsten Hafen.
Flaschenhals
Eine fünf Meter breite Durchfahrt, gespickt mit Untiefen und gesäumt von steil aufragenden Sandsteinklippen, dazu brechende Wellen und starke Strömung – die Knysna Heads haben ihren Ruf als gefährlichste Einfahrt der Welt nicht von ungefähr. Wer in die rund 20 Quadratkilometer große Lagune dahinter will, muss das Wetterfenster noch präziser bestimmen: Es sollte keinen Gegenwind geben und der Schwell vor der Einfahrt nicht höher als 1,5 m sein. "Wir haben uns Unterstützung von einem lokalen Wetterrouter geholt und der hat uns gewarnt – Rechne damit, dass du auch noch das nächste Weihnachtsfest dort verbringst", erzählt Puttinger. Kurz vor Heilig Abend tut sich ein passendes Wetterfenster auf. Als sich die Webik der Einfahrt nähert, ist von den Heads nichts zu sehen. Eine dichte Nebelwand hüllt die Klippen ein. "Wir haben uns dicht in Ölzeug und Automatikweste gepackt und uns vom Yachtclub-Chef von Knysna per Funk durch die Einfahrt lotsen lassen. Gesehen haben wir nichts, nur die von den Felsen zurückgeworfenen Wellen gehört. Aber plötzlich lichtete sich der Nebel und wir fanden uns in einer Sommerlandschaft wie im Salzkammergut wieder. Sonnenschein, komplett flaches Wasser, rundherum Paddler, Kajakfahrer und Schwimmer – eine andere Welt", erinnert sich Puttinger an das eindrückliche Erlebnis.
Am Weihnachtstag – im Backrohr der Webik schmort gerade ein Rinderbraten – erhält der Oberösterreicher eine E-Mail. Ein Strandspaziergänger hat direkt neben der Hafeneinfahrt von Richards Bay den von seiner Halterung gerissenen Rettungsring der Webik gefunden und per Internetrecherche die Kontaktdaten des Eigentümers ermittelt. "Der Rettungsring wollte zurück aufs Boot und hat die Einfahrt vom Hafen fast getroffen", freut sich der Puttinger noch heute über das erste Weihnachtswunder. Das zweite folgt mit der Aufhebung der Quarantänebestimmungen, die den Besuch von Freunden und Familie aus der Heimat ermöglicht.