Yachtrevue 5/2015

Mai 2015
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Liebe Leserin, lieber Leser!

Boote zu testen, das gehört zu unserer Arbeit. Den Bericht über eine neue Yacht möglichst rasch, vielleicht sogar als erstes deutschsprachiges Fachmagazin im Heft zu haben, ist Teil des Spiels und hat mit einem gewissen sportlichen Ehrgeiz zu tun. Objektiv gesehen ist es jedoch besser, der Werft ein wenig Zeit zu geben die unvermeidlichen Unzulänglichkeiten einer Baunummer 1 auszumerzen. Autos werden einige Dutzend Male gebaut, ehe sie in Serie gehen. Von einer Segelyacht gibt es üblicherweise nicht einmal einen Prototypen. Manchmal wird direkt vom Computer in die Serienfertigung gewechselt, manchmal wenigstens ein Mockup gebaut, eine Art Holzmodell, an Hand dessen sich Ergonomie und Größenverhältnisse prüfen lassen. Typische Probleme der Erstlinge sind schwergängige Steuerung, schlechte Vorbalance des Ruderblattes, zu kurze Genuaschienen oder problematischer Achterstag-Verlauf. Vieles lässt sich verbessern, manches muss bis zum ersten Facelift warten.

Beim Test der Lago 26 stellten wir jegliche journalistische Ungeduld hintan und warteten bis die Phase der Kinderkrankheiten überwunden war. Schöpfer und Clubkollege Hans Spitzauer sprach vor zehn Jahren das erste Mal mit mir über seine Vision vom eigenen Boot. Im Dezember 2012 wurde das erste Vorserienmodell gewassert und es wäre für die Yachtrevue ein Leichtes gewesen, den weltweit ersten Bericht über diese moderne Jollenkreuzer-Variante zu bringen. Aber das schien mir nicht sinnvoll, denn das Boot war von Serienreife weit entfernt. Spitzauer pflichtete mir bei, optimierte und entwickelte weiter, sammelte Erkenntnisse und Erfahrungen. Manchmal segelten wir gemeinsam, manchmal duellierten wir uns bei Regatten, er auf seiner Vorserien-Lago ich auf einem schnellen 20er. Seit Herbst 2014 wird die Lago 26 in Serie gebaut. Drei brandneue Modelle konnte ich heuer im April unter die Lupe nehmen. Das Ergebnis ist ein Test mit maximaler Hintergrundinfo – „Gleitmittel“, ab Seite 32.

Herzlichst
Roland Duller

Artikel in dieser Ausgabe:

Ressort Achteraus

Bekleidungsfragen

Mai 2015: Die private Monatsbilanz von Roland Duller

Ressort Abdrift
Ich sitz an der Kante, der Hintern tut weh, die Beine sind blutleer, die Hände erfroren. Es hat drei Grad und die x-te Welle, die soeben in meine Kapuze eingestiegen ist, fühlt sich mit ihren beherzten 13 Grad fast warm an. Palagruža liegt einen Tag hinter uns, wir segeln in die nächste Nacht hinein. Neben mir bibbern zwei weitere dunkle Gestalten. Unter „Kanteneinsatz“ versteht man in der Ski-Nation Österreich für gewöhnlich etwas anderes. Und ich werde das Gefühl nicht los, dass von der Felseninsel ein Fluch ausgeht. Die Vorgeschichte: Round Palagruža Cannonball ist eine Non-Stop-Regatta über fast 400 Meilen rund um eine Felseninsel mitten in der Adria (Reportage siehe Seite xxx). 2014 schnappte der Wettfahrtleiter einen Funkspruch des kroatischen Leuchtturmwärters von Palagruža auf. Daraus entwickelte sich – frei übersetzt – der folgende Dialog: „Hier ist Vela Palagruža. Bei mir ist ein Segelboot in Seenot … und noch eines … und noch eines …“ „Nein, mein Freund, das ist eine Regatta!“ „So ein Unsinn. Doch nicht um diese Jahreszeit! Und schon gar nicht mitten in der Nacht. Verarsch wen anderen. Wer bist du überhaupt?“ „Ich bin der verdammte Regattaleiter. Ich muss also wissen, dass das eine Regatta ist. Zugegeben, die sind alle ein bisschen verrückt, aber es ist und bleibt trotzdem eine Regatta.“ „Was seid ihr für verfluchte, hundsgemeine Kerle! Da hocke ich drei Monate lang in meinem Leuchtturm und warte auf die Ablöse. Und dann passiert ein einziges Mal etwas, und wenn ich nicht zufällig pinkeln muss und aus dem Fenster schau, versäum‘ ich das!“ „Okay, das tut mir leid, mein Freund.“ „Ich bin nicht dein Freund! Kein Schwein ruft mich an. Da fahren dreißig Boote an diesem gottverdammten Felsen vorbei und keiner kommt auf die Idee mich anzufunken! Ich glaub‘ ich träum!“ „Sorry, es wird nicht wieder vorkommen. Im nächsten Jahr werden wir dich anfunken. Versprochen!“ „Ach was. Fahrt zur Hölle!“ Mag sein, dass die Funkdisziplin ein wenig besser eingehalten wurde. Doch als die Geschichte vom vergessenen Leuchtturmwärter im Ziel in Biograd die Runde machte, waren die Teilnehmer der Regatta zutiefst gerührt. Vor allem aus menschlichen, aber auch aus historischen Gründen, denn der Leuchtturm wurde im Jahr 1875 fertiggestellt, als die Felseninsel Palagruža zur K.-u.-k.-Monarchie gehörte. Die Folgegeschichte: 2015 wird noch vor der Regatta die Devise ausgegeben unter keinen Umständen auf den Leuchtturmwärter zu vergessen. Vergeblich, denn sein Fluch „Fahrt zur Hölle!“ lastet auf der Flotte: Die Bora ballert ohne Pause mit 78 bis 87 km/h, manche reden sogar von 8 Beaufort. Jedenfalls hat es nie mehr als 8 Grad. Viele versuchen trotzdem den Leuchtturmwärter anzufunken. Auf den Kanälen 78, 87 oder 8, denn die Ansichten, darüber, welcher der richtige Kanal sein könnte, gehen ziemlich auseinander. Wie übrigens auch die Schilderungen von der vermeintlichen Fahrt zur Hölle. Noch vor der Siegerehrung mutieren die zermürbenden Kanteneinsätze zu Heldentaten. „Endlich einmal raus aus der Komfortzone“, schwärmt einer mit feuchten Augen. Und Segler, die noch vor ein paar Stunden geschworen haben sich so etwas nie wieder antun zu wollen, reden schon vom nächsten Jahr. In der stillen Hoffnung, dass sich der Einsiedler vom Dienst bis dahin ein bisserl beruhigt hat.









 

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