Wer suchet, der findet
1989 brachen die Seenomaden Doris Renoldner und Wolfgang Slanec zu ihrer ersten Weltumsegelung auf. Ein nachdenklicher Rückblick auf 30 Jahre Blauwasser und den Wandel der Zeit
Wolf und ich wollten immer schon um den Globus. Nicht schnell, nicht als Wettlauf oder Rekordversuch. Einfach nur um den blauen Planeten zu erleben, ihn besser kennen zu lernen. Der Mythos Weltumsegelung, der uns damals in seinen Bann zog, entsprang einer Zeit, in der so gut wie kein Fahrtensegler viel Kapital auf der Seite hatte. Die Yacht war klein, die Welt groß, meist schipperte man in tropenwarmen Revieren und jobbte unterwegs. Über die Ozeane ging es ohne Sicherheitsnetz und in entlegenen Gegenden war Improvisationskunst wichtiger als Geld. Weltumsegelung war eng verknüpft mit Unabhängigkeit. Niemand maß die Zeit, die man dazu benötigte. Im Gegenteil, je länger die Reisedauer, desto prägender die Erfahrungen. In typischer Form währte sie mindestens drei Jahre. Und an ihrem Ende, tja, da war man wer. Ein Weltumsegler, Herz und Augen voller Fernweh.
Wie viel ist davon geblieben, seit wir alle einen Reiseblog auf der Website führen, Bilder auf Facebook und Instagram hochladen, gephotoshopt und originell betextet? Perfektionismus und Leistungsbereischaft sind heute selbst auf dem Segelboot ständige Beifahrer. Auch ich poste Fotos von der pittoresken Skitour in Alaska und heimse dafür hunderte Likes ein. Den Muskelkater am nächsten Morgen, den matschigen, eigentlich unfahrbaren Schnee zeige ich nicht. Oder die Fahrt durch die Inside Passage. Die lästigen Moskitos, die ereignisarmen Nachmittage an Bord, das stundenlange Motoren bei Flaute bleiben unerwähnt, festgehalten habe ich hingegen, wie wunderbar lässig es an der Westküste Nordamerikas dahinging.
In der Retrospektive waren die acht Jahre, in denen wir mit unserer neuneinhalb Meter kleinen Susi Q zum ersten Mal um die Welt gesegelt sind, die unbeschwerteste, erfüllteste Zeit unseres Lebens. Vielleicht lag es an unserer jugendlichen Unbekümmertheit, vielleicht habe ich mir in meinen Zwanzigern weniger Gedanken und Sorgen gemacht. Damals segelten wir eine alte Vanguard 950 aus Stahl. Sie war technisch sehr einfach gehalten, die allermeisten Probleme konnten wir irgendwie selbst lösen. 1989 war Global-Positioning-System noch ferner liefen. In den ersten drei Jahren herrschte bei uns an Bord ein Zustand wie bei Kolumbus. Sextant, nautische Tafeln, Seekarten – das reichte, um bis zu den Antillen zu kommen; ein Walker Schlepplog zählte die Meilen. So entdeckten wir Amerika. 500 Jahre nach Kolumbus.
Fortschritt als Fluch und Segen
Die Sonate Ovni 41 Nomad, die uns heute als schwimmendes Heim dient, ist deutlich komplexer ausgerüstet, vom AIS-Transponder bis zum Kühlschrank. Und natürlich ist die Navigation ungleich sicherer, effizienter und einfacher geworden. Früher fiel der Satnav ständig aus, ein Fix durch Koppeln war ungenau. Gut, dass diese Zeiten vorbei sind.
Dank Satellitentelefon und Internet sind wir permanent und überall erreichbar. Etwas anderes scheint in unserer vernetzten Welt auch für Segler kaum mehr vorstellbar zu sein. Aber dadurch ist man der Heimat nie wirklich fern und mental nicht von ihr getrennt. So verhindern wir, was wir eigentlich suchen – ein modernes Paradoxon.
Auch Entbehrung gibt es an Bord kaum noch.