Code Zero, Drifter & Co
Wer das Potenzial seiner Yacht auch bei ganz leichter Brise ausreizen will, sollte in rollbare Zusatzsegel investieren
Erstaunlich, aber wahr: Weht es mit weniger als 6 Knoten, wird auf Segelyachten mehrheitlich die Elektro- oder Dieselmaschine gestartet. Die meisten Skipper betrachten das Motoren als Übel, lästig, aber unabdingbar. Doch das ist ein Irrtum. Denn mit der richtigen Segelgarderobe kann auch eine Fahrtenyacht – in Abhängigkeit vom Kurs natürlich – bei diesen Bedingungen etwa so schnell wie der Wind segeln. Das Zauberwort heißt rollbares Zusatzsegel und hat man sich damit einmal angefreundet, wird die Fortbewegung bei Leichtwind zum puren Genuss. Ideal wären zwei Segel: Eines, mit dem man sehr hoch am Wind fahren kann, sprich annähernd so hoch wie mit einer Genua, und ein weiteres für mittlere und tiefe Raumschot-Kurse. Auch ein Kompromiss ist möglich; wofür man sich letztendlich entscheidet, hängt vom Revier und den individuellen Vorlieben ab.
Unnötige Skepsis
Im letzten Jahrzehnt haben sich Riggs mit kleinem Vorsegeldreieck durchgesetzt. 105-Prozent-Genuas oder gar Selbstwendefocks erleichtern das Handling, allerdings entwickeln sie bei wenig Wind auf allen Kursen zu wenig Vortrieb. Abhilfe schaffen fein aufeinander abgestimmte, rollbare Zusatzsegel. Eigentlich logisch – dennoch fehlen sie häufig an Bord. Und das hat mehrere Gründe.
* Unwissenheit: Vielen Eignern ist nicht klar, dass diese Segel die Leistungsfähigkeit der Yacht bei extremen Leichtwindbedingungen ausreizen und auch für Solosegler oder kleine Crews geeignet sind.
* Sicherheitsbedenken: Weniger routinierte Skipper haben vor großen Segelflächen Respekt und das ist grundsätzlich gut so. Aber moderne rollbare Zusatzsegel sind vom Handling her so einfach, dass jeder damit problemlos zu Rande kommen sollte. Auch in dieser Hinsicht herrscht also Aufklärungsbedarf.
* Kosten: Ja, die Erweiterung der Segelgarderobe hat ihren Preis. Aber: Stellt man die Mehrkosten in Relation zu den gewonnenen Segelstunden, erscheint die Anschaffung in einem sehr viel besseren Licht.
Code 0. Das Allroundtalent
Das asymmetrische Segel wurde von North Sails für das Whitbread-Race 1997 entwickelt und stellte einen raffinierten Schachzug dar. Der Code 0 erfüllte die Funktion von Topgenua oder Reacher, wurde vermessungstechnisch aber den Spinnakern zugeordnet. Ein großer Vorteil, denn damals war die Anzahl der Am-Wind-Segel, die die Teams mitführen durften, begrenzt. Die Idee war genial, sorgt allerdings bis heute für Verwirrung: Ist der Code 0 jetzt ein Am-Wind-Segel oder eher für raume Kurse geeignet?
Die Antwort: Das hängt von seiner Mittelbreite ab. Je geringer diese ist, desto höher am Wind kann man segeln. Im Regelwerk des ORC ist die Mittelbreite des Code 0 genau vorgegeben und relativ hoch. Der Wert wurde zwar kürzlich reduziert, dennoch kann man mit einem nach ORC vermessenen Segel nicht so hoch fahren wie mit einem vermessungsfreien Modell, das vom Segelmacher in Richtung Am-Wind-Leistung optimiert wurde.
Christian Binder von OneSails beschreibt einen fahrtentauglichen Code 0 als eine Art bauchige Genua mit überrundetem Achterliek und maximal möglicher Segelfläche. Der Schnitt soll Wendewinkel um 100 Grad ermöglichen. Das sind bemerkenswerte 50 Grad am wahren Wind, wobei dieser Wert vom Schiffstyp abhängt. Wichtig dabei zu bedenken: Bei extrem leichtem Wind bringt auch ein kleines Vorsegeldreieck kaum mehr Höhe.