Blickrichtung Frankreich
Die nächsten Olympischen Segelbewerbe finden 2024 in Marseille statt. Wer hat es sich zum Ziel gesetzt, für Österreich an den Start zu gehen, wo wird trainiert und wie schaut das Programm aus? Judith Duller-Mayrhofer fasst den aktuellen Stand der Dinge zusammen
Benjamin Bildstein nimmt die Dinge gern selbst in der Hand; sicher kein Zufall, dass er stets Steuermann war. 2021 bestritt er gemeinsam mit seinem langjährigen Vorschoter David Hussl seine ersten Olympischen Spiele, 2024 wollen die beiden wieder dabei sein und im 49er eine Medaille holen. Nicht mehr und nicht weniger ist das erklärte Ziel. Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – hat sich Bildstein eine fünfmonatige Auszeit vom Segeln verordnet. Seinem Naturell entspricht sie voll und ganz: Seit Beginn der Wintersaison ist er am Arlberg Vollzeit als Ratrakfahrer beschäftigt, präpariert die Pisten in Lech oder Zürs und dirigiert zu diesem Zweck ein 530 PS starkes und 13 Tonnen schweres Monstergerät, das er selbst warten und servicieren muss, durch hochalpines Gelände. Den dafür nötigen Führerschein hat er schon mit 18 gemacht, einschlägige Erfahrung bei kurzfristigen Einsätzen im Skigebiet Schneiderkopf, also in seiner unmittelbaren Heimat, gesammelt. „Bei gutem Wetter starten wir um 16 Uhr mit einer Einsatzbesprechung“, schildert der Wolfurter einen typischen Arbeitstag, „danach bin ich bis etwa 2 Uhr mit meiner Pistenraupe unterwegs.“ Schneit es in der Nacht, muss er frühmorgens noch einmal raus, damit die Urlauber bei ihrer ersten Abfahrt perfekte Bedingungen vorfinden. Gearbeitet wird von Sonntag bis Freitag, gewohnt gemeinsam mit den Kollegen am Berg, genauer gesagt am Kriegerhorn auf 1.800 Meter. Was erhofft sich der 30-Jährige von diesem ungewöhnlichen Kontrastprogramm? Bildstein wäre nicht Bildstein, wenn er das nicht ganz genau wüsste: „Ich betreibe seit einem Jahrzehnt Hochleistungssport und werde auch für die nächste Kampagne 100 Prozent geben. Ich liebe das Segeln nach wie vor, aber ich habe die Gefahr gesehen, mich wie in einem Hamsterrad zu fühlen. Diese Pause soll mir helfen, frisch und motiviert zu bleiben, denn auch das Schönste verliert seinen Reiz, wenn man es zu oft und ohne Unterbrechung macht.“ Mit Vorschoter David Hussl sei das natürlich abgesprochen gewesen. Der Tiroler absolviert einstweilen ein intensives Konditionsprogramm, trainiert die jungen österreichischen 49er-Teams, treibt seine Weiterbildung als Privatpilot voran und wird im März mit dem österreichischen VO65 Sisi über den Atlantik segeln. Nach Ostern soll es direkt vom Berg aufs Wasser gehen. „Wir werden das Training in vollem Umfang aufnehmen und voraussichtlich Anfang Juni in Medemblik die erste internationale Regatta bestreiten“, schildert Bildstein seine Pläne, „dann sehen wir auch, wo wir stehen.“ Mit Keanu Prettner und Jakob Flachberger gibt es erfreulicherweise einen starken 49er-Sparringpartner aus dem eigenen Land. „Die Jungen fahren eine Kampagne mit Perspektive bis 2028“, erläutert Sportdirektor Matthias Schmid, „die sind super drauf, werden die arrivierten Kollegen herausfordern und permanent auf Trab halten – eine famose Ausgangslage für alle Beteiligten.“
Interessante Kombinationen
Gegenseitig auf Trab sollen sich auch zwei 49erFX-Teams halten. Laura Schöfegger hat nach einigen Zwischenstationen mit Lisa Farthofer eine Partnerin gefunden, die sie als „perfect match“ bezeichnet, beide sind laut Matthias Schmid „motivierte, ehrgeizige und erfahrene Seglerinnen“, die sich aber gemeinsam erst bewähren müssen. Bei einer internationalen Regatta in Portugal im Dezember 2021 konnte das Duo bereits aufzeigen und verpasste mit Rang vier nur knapp das Podium. Neu in der Klasse ist Barbara Matz. Die Neusiedlerin war bei den Spielen in Tokio als Vorschoterin von Thomas Zajac im Nacra17 am Start, nach dessen Ausstieg tat sie sich mit der erst 18-jährigen Tirolerin Johanna Schmid zusammen, die aus dem 420er kommt und noch nicht in der Nationalmannschaft gelistet ist. „Ob diese Kombi Zukunft hat, wird sich weisen“, kommentiert Schmid.