Ehrliche Wegbegleiter
Die Seenomaden haben in mehr als drei Jahrzehnten unter Segeln einen wertvollen Erfahrungsschatz gesammelt. Blauwasserkollegen, die erst am Anfang stehen, können nun bei einem Coaching davon profitieren
Jung, naiv, unbekümmert. So starteten wir unsere erste Weltumsegelung. Sie begann 1989 auf den Kanarischen Inseln, endete 1997 in der Adria und sorgte für nachhaltige Veränderung in unserem Leben. Wir sind auf dem Wasser geblieben, haben aus Träumen eine Realität gemacht, die bis heute hält.
Träumen, das tun viele. Von der langen Reise, von neuen Abenteuern, von spannender Herausforderung. Gleichzeitig blubbern Sorgen und Zweifel hoch. Boot, Gesundheit, Finanzen. Ist so ein Unterfangen nicht eine Nummer zu groß? Zu kostspielig? Zu schwierig? Ist es dafür zu früh oder zu spät im Leben? Will ich wirklich Sicherheiten für immer oder zeitweise aufgeben, Widersprüche aushalten, Hindernisse überwinden, Mittel und Wege finden oder erfinden, Zelte abbrechen, um die Landleinen zu lösen? Tja.
Tatsächlich losfahren, das tun wenige. Dazu gehört Mut, zweifellos. Vor allem aber müssen Sehnsucht und Verlangen stärker sein als die Bedenken. Vergessen wir nicht: Fast alles kann man lernen, sich anlesen, üben, erkaufen. Und man kann sich helfen lassen von jenen, die sich bereits auf den Weg gemacht haben. Auf dieser Überzeugung fußt die Idee eines Blauwasser-Coachings, das wir seit Kurzem anbieten: Wolf und ich möchten unsere Erfahrungen und unser Wissen aus 33 Jahren Fahrtensegeln, zweieinhalb Runden um die Welt und 150.000 Seemeilen mit anderen teilen.
Im Rückblick ist ein Absprung immer eine wunderbare Erinnerung, vor allem, wenn man sicher landet. Davor ist es oft ein Sprung ins Ungewisse, egal wie viel Technik man an Bord hat. Bis heute erinnere ich mich an unsere erste Atlantiküberquerung im April 1992. Als wir die Kap Verde Insel Brava mit dem Ziel Karibik verließen, klopfte mein Herz wie verrückt. Wir waren mit der Stahlslup Susi Q unterwegs, die nur 9,50 Meter maß. Wir hatten kein GPS, kein Radar, kein AIS, kein Satellitentelefon, keinen Kühlschrank. Aber eine gehörige Portion Motivation und Selbstvertrauen. Und das Gefühl der Unbesiegbarkeit, das nur die Jugend kennt. Alles fühlte sich neu an. Der Atlantik, die Höhe der Wellen, die Erschöpfung nach den Nachtwachen. Werden wir es schaffen, fragte ich mich damals. Was erwartet uns da draußen? Und wird das Wetter mitspielen? Wetterbericht unterwegs gab es bei uns an Bord noch nicht. Ich weinte nicht, als wir ablegten, aber ein Knoten lag mir in Hals und Magen. Hätte ich mich davor mit erfahrenen Blauwasser-Kollegen austauschen können, wäre er vielleicht nicht so fest zugezogen gewesen.
Lektionen, die das Leben lehrte
16 Tage später zeichneten sich die Umrisse einer tropischen Insel in den aufhellenden Himmel. Wir hatten Tobago erreicht – ausschließlich mit Sextantennavigation. Ein Mirakel, ein Abenteuer und zwischendurch auch ein harter Kampf. Als sich die Holzpinne auflöste zum Beispiel und mit Schlauchschellen repariert werden musste. Oder als nächtliche Sturmböen über unser Schiffchen peitschten und ich schwer seekrank am Kajütboden kauerte. Oder als die Windfahnen-Selbststeuerung uns immer wieder aus dem Ruder laufen ließ und die ausgebaumten Passatsegel dann mit einem grässlichen Knall back standen. Erst Wochen später bemerkten wir, dass die Gabel-Terminals beider Vorstage Risse zeigten. Diese Lektion hab ich mir gut gemerkt: Die See duldet keine Unachtsamkeit, keine Fehler im falschen Moment.
Eine weitere Lektion, die wir gelernt haben: Wer auf Langfahrt gehen will, muss sein Boot genau kennen. Wolf zitiert gerne die amerikanischen Blauwasser-Größen Lin und Larry Pardey: „Go small, go simple – but go now!“ Wie so oft, ist weniger mehr. Und manche Fragen sollte man vorab klären. Was ist auf einer Fahrtenyacht unabdingbar und worauf kann verzichtet werden? Hilft mir die Technik oder bin ich mit ihren Tücken überfordert? Wie schaut es mit meinen handwerklichen Fähigkeiten aus? Habe ich Improvisationstalent?