Transat Jacques Vabre
Fünf brandneue, foilende IMOCA60 absolvierten ihren letzten großen Test vor der Vendée Globe, Apivia segelte zu einem überraschenden Sieg
Das Kürzel TJV steht für Segelsport vom Feinsten. Es bezeichnet einen Klassiker, der seit 1993 alle zwei Jahre stattfindet, Zweierteams vom französischen Le Havre nach Brasilien führt und stets für einen Schlagabtausch der Besten der Hochsee-Szene sorgt. In der Vergangenheit standen häufig die Multihulls im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Doch die spektakulären Ultim-Trimarane hatten heuer ihre Aktivitäten ausgelagert und bestritten mit der erstmals ausgetragenen Brest Atlantiques zeitgleich ihre eigene Regatta, und die Klasse der Multi50 präsentierte sich mit nur drei Teilnehmern auf einem wenig attraktiven Tiefstand. So waren es die IMOCA60, denen bei der aktuellen Auflage das größte Interesse galt – auch weil die Hatz über den Atlantik den letzten wichtigen Test für die 2020 stattfindende Solo-Weltumsegelungsregatta Vendée Globe darstellt.
Am Start war eine Rekordflotte von 29 Yachten, die einen spektakulären Blick auf die technologische Entwicklung in dieser Klasse erlaubte. Nicht weniger als 16 Teilnehmer setzten auf Foils; elf davon hatten ältere Modelle aufgerüstet, der Rest brandaktuelle Rennmaschinen unter dem Hinterteil. Interessant zu wissen: Die fünf IMOCAs der jüngsten Generation stammen von drei unterschiedlichen Designern, nämlich Vincent Lauriot-Prévost, Guillaume Verdier und Juan Kouyoumdjian. Noch nie war die Bandbreite der Entwürfe in dieser Klasse größer und so gab es Tragflügel in C- U- oder L-Form zu sehen. Ein Alphabet der Zukunft, das die Skipper nicht nur entziffern, sondern fließend lesen können müssen, und eine Aufgabe, die umso herausfordernder ist, als bei den IMOCAs laut Reglement die typischen T-Foils am Ruder verboten sind. Das macht das Halten des Gleichgewichts in der Flugphase besonders schwierig. „Man fühlt sich wie auf einem Hocker, dem ein Bein fehlt“, findet der zweifache Vendée-Sieger Michel Desjoyeaux, der das Transat 2017 gewonnen hatte, eine anschauliche Beschreibung.
Einer, dem man die Beherrschung dieses Balance-Akts zutraut, ist der britische Superstar Alex Thomson. Seine neue, ganz in den Farben Schwarz und Pink gehaltene Hugo Boss, die erst im September vor der Londoner Tower Bridge getauft wurde, ist ein radikales Design mit komplett geschlossenem Cockpit, das aus der Feder von Lauriot-Prévost stammt und rund 6 Millionen Euro gekostet hat. Für das TJV stand ihm als Partner einer der erfahrensten Hochsee-Segler der Welt zur Seite: Landsmann Neal McDonald, der sich in Thomsons Team um die Leistungsoptimierung kümmert und bereits sieben Mal am Volvo Ocean Race teilgenommen hat. Beste Voraussetzungen also, um ganz vorne mitzumischen, doch nach sieben Tagen auf See war der Traum von Sieg auch schon wieder ausgeträumt. Die Hugo Boss kollidierte westlich der Kanaren mit einem im Wasser treibenden Objekt; der Kiel wurde schwer beschädigt und war nur noch über die Arme des Hydraulikzylinders mit dem Rumpf verbunden. Thomson und McDonald mussten ihn losschneiden, es gelang ihnen aber mit gefüllten Ballasttanks und ausgefahrenen Foils aus eigener Kraft die 800 Meilen entfernten Kapverden zu erreichen. Ein gefährlicher Eiertanz, denn hätte die Hugo Boss auf dieser Fahrt um mehr als 30 Grad gekrängt, wäre sie unvermeidlich gekentert. Thomson meisterte ihn bravourös, seinen Beinamen „Bruchpilot“ wurde er damit aber nicht los …
Nervenschlacht in der Flaute
Während sich das britische Gespann also im Schongang in Sicherheit brachte, hatte die Konkurrenz aus Frankreich mit anderen Problemen zu kämpfen. Insbesondere auf Charal lagen die Nerven blank: Der von Jérémie Beyou und Christopher Pratt geskipperte Foiler, der vor einem Jahr zu Wasser gelassen und seither intensiv getestet und optimiert worden war, hatte dank ausgezeichnetem Speed und meisterlicher Taktik als klar in Führung liegende Yacht die Doldrums erreicht. Doch dann saß er tagelang in der Flaute fest, während die unmittelbaren Gegner wesentlich schneller vorankamen.