Feuerwerk der Leidenschaft
Die Liparischen Inseln bieten himmlisches Vergnügen am vermeintlichen Tor zur Hölle. Jürgen Preusser unternahm zum zweiten Mal einen Segeltörn in diesen Archipel und entdeckte die faszinierende Welt der Vulkane neu
Vor einem Jahr in einer Konoba, irgendwo in den Kornaten. Ich lerne Hans kennen, einen Yachtrevue-Leser der ersten Stunde. „Eigentlich wollte ich einen Törn in den Liparischen Inseln machen“, seufzt er, „aber dann habe ich deinen Bericht gelesen (Anm.: YR 12/2014). Jetzt bin ich halt wieder in Kroatien …“
Daher vorab: Lieber Hans, liebe Leserin, lieber Leser, bitte, lasst euch diesmal nicht von mir abschrecken! Es gibt es keine irreführenden Bemerkungen wie „beißende Schwefeldämpfe“ oder gar bösartige Formulierungen wie „nahe am Arsch der Welt“ – versprochen. Die Liparischen oder Äolischen Inseln bilden keine Albtraum-, sondern eine Wunschtraum-Welt, ein exotisches Revier mit farbenfrohen Elementen, wie man es nur auf einem anderen Planeten vermuten würde. Ja, sie können auch eine Herausforderung darstellen, weil sichere Anlegemöglichkeiten selten sind, aber meist lassen sich diese auch leicht erreichen.
Filicudi, Vulcano, Lipari, Salina und Panarea zählen jetzt endgültig zu meinen besten Freundinnen unter den Mittelmeer-Inseln. Alicudi und Stromboli geben diesmal allerdings nur die Kulisse im Hintergrund ab, und das aus gutem, wenn auch unterschiedlichem Grund: Das westliche Alicudi liegt wetterbedingt nicht auf unserer Route, der nordöstliche Vulkan Stromboli schreckt uns wegen fast vierzig Meilen weit sichtbarer Hyperaktivität ab. Schon in unserem Ausgangshafen Capo d’Orlando auf Sizilien erzählt uns ein oberösterreichischer Segler, dass er dort von einem Ranger der Küstenwache um 400 € erleichtert worden sei. Wegen Verletzung der Drei-Meilen-Sperrzone, die besonders Mutige von der Lavarutsche am Stromboli fernhalten soll.
Sonntag, Frühstart. Ziel: Lipari. Wetterbericht: verheerend. Sturm und Dauerregen sind angesagt. Unsere beiden Oceanis 45 liefern einander ein spannendes Match. Der Sieger fährt auf einen Triumphbogen zu; ein doppelter Regenbogen spannt sich fast kitschig über der Durchfahrt zwischen Lipari und Vulkano.
Die Wetter-Realität dahinter hat mit Kitsch wenig zu tun. Die Front wirkt apokalyptisch. Marco und Luca, die beiden sensationell engagierten Marineros der EOL Mare SRL auf Lipari, leiten die beiden schwierigen Anlegemanöver von ihrem Schlauchboot aus. Ein Funkspruch auf Kanal 9 hat genügt. „Follow the yellow dinghy!“ Wir werden diese Worte heute noch öfter hören, denn es haben auch andere die Wetterprognose gelesen.
Hotspot in der Stadt ist das Filippino, in dem alle Hochzeiten der Insel gefeiert werden. Auch alle anderen Lokale, in die wir während dieser Woche hineinstolpern, erweisen sich gut und preiswert. Schwertfisch und Tunfisch, auf unterschiedlichste Arten zubereitet, sind die Highlights der Region. Ich nehme das erste Taxi zurück. Sicherheitshalber. Der Shuttle-Dienst „Taxi Melissa“ ist für Gäste der Marina übrigens gratis.
Die Sturmgewitter-Nacht am Schwimmsteg wird zum entbehrlichen Abenteuer. Nach einem Medicane am Peloponnes und einer Mistral-Troglage über Mallorca habe ich langsam die Nase voll. Und mein Ruf als Wetter-Glückspilz ist gründlich ruiniert: „Mit dir fahren wir nirgends mehr hin“, sagt einer, während wir um Mitternacht eine zusätzliche Leine zum Nachbarschiff legen. „Du hast gesagt Sizilien – nicht Island!“
Danach laden wir einen permanent patrouillierenden Marina-Hilfsarbeiter auf einen Espresso mit Grappa-Begleitung ein: Wir pitschnass in Unterhosen, er im Ölzeug. Ein Bild für Götter! Zumindest für einen Gott, und zwar für Aiolos, den griechischen Gott des Windes, dem die Vulkaninseln ihren Namen zu verdanken haben. Selbiger war mit Eos verheiratet, der Göttin der Morgenröte. Von ihr fehlt jede Spur: Tiefe Wolken, Grau in Grau, Dauerregen, Starkwind.
Diejenigen, die noch nie hier waren, wissen gar nicht, ob die Inseln flach wie in der Ostsee sind, oder aus bis zu tausend Meter hohen Vulkanen bestehen. Die Prognose ist ernüchternd: Wetterbesserung erst am Donnerstag. Marinero Marco rät uns, nach Salina zu segeln, weil der Wind auf Ost drehen und damit ungebremst auf den Schwimmsteg treffen soll. Wir folgen seinem Rat, doch zum Glück kommt alles ganz anders. Eines ist nämlich gleich geblieben im Vergleich zu 2014: Die Wettervorhersagen stimmen nur selten. Das liegt nicht an unfähigen Meteorologen, sondern an den tatsächlich schwer berechenbaren Einflüssen in dieser Region.
Unerwartete Besserung
Schon am Vormittag schläft der Sturm ein und wird zum angenehmen Segelwind, die letzten Wolkenfetzen verziehen sich und geben das Farbenspiel der schroffen Vulkaninseln frei. Tiefgrüne Pinienwälder, gelbe Sandsteinflanken, dunkelgraue Basaltfelder mit schwarzen Adern. Bunte Einfamilienhäuser und kleine Kirchen an steilen Küsten bis runter zum Strand, schwer tragende Feigenbäume, goldenes Schilf. Das sind die Bilder, die unsere nächsten Tage prägen. Dazu ein steter, leicht drehender Wind zwischen 15 und 25 Knoten und sommerliche Temperaturen. In der zweiten Oktober-Woche wohlgemerkt.
Die 78 Meter hohe Felsnadel La Canna im Nordosten von Filicudi ist ein Hotspot für Kletterer. Dort kann man vorübergehend ankern. Vorsicht! Die Strömung ist für durchschnittlich gute Schwimmer oft zu stark, um zur Yacht zurück zu gelangen. Dingi-Unterstützung ist dann angesagt.
Neuer Tag, neues Glück: Die schäumenden Untiefen und Felsen, die den malerischen Orten auf der kleinen Insel Panarea vorgelagert sind, ziehen fast zu schnell vorbei, weil uns der achterliche Wind so flott vor sich her treibt. In der Nähe des Felsens Lisca Bianca gibt es eine geheimnisvolle Stelle.