Helle Freude

Island ist neu am Chartermarkt und lockt mit einem landschaftlich einzigartigen, nautisch weitgehend unerschlossenen Revier

Helle Freude

Sechs Uhr früh, sechs Grad Außentemperatur. Aber niemand hat mich gezwungen. Die Sonne steht schon hoch über dem Himmel von Reykjavik, Wölkchen tupfen weiße Bänder in intensives Blau. Der Atem dampft vor meinem Mund, die Finger sind klamm, die Haube ist tief über die Stirn gezogen. Mein erster Törn im hohen Norden. Dick eingepackt in mehrere Lagen Fleece und mit einer Rettungsweste angetan sitze ich im Cockpit der Esja, einer zehn Jahre alten, aber gut gewarteten Bavaria 50, und harre der Dinge, die da kommen mögen. Das Schiff gehört Gudbergur Birkisson, den alle nur Beggi nennen, einem Pionier und Monopolisten gleichzeitig. Er hat vor zwei Jahren das erste und bislang einzige Charterunternehmen Islands gegründet und bespielt es in einer One-Man-Show so gut er kann. Sein Angebot umfasst drei Yachten, die Nachfrage, so versichert uns der 53-Jährige, sei ausgezeichnet; die Gäste kämen aus aller Welt, manche sogar im Winter, um vom Wasser aus das Nordlicht zu erleben.

Beggi begleitet unsere Gruppe als Skipper, möchte uns die Schönheit und Vielfalt seines Heimatreviers nahebringen. Der erste, 60 Seemeilen lange Schlag soll uns weit Richtung Nordosten führen. Wir lösen die Leinen, verlassen unseren Liegeplatz in der Brokey Marina und kehren der unmittelbar dahinter gelegenen Harpa Music Hall mit ihrer auffälligen bunten Glasfassade den Rücken. Ein letzter Blick zurück auf die im Sonnenschein faszinierend flirrenden Farben, dann setzen wir Segel und kämpfen uns bei 20 Knoten und mehr hart am Wind vorwärts.

Neun Stunden später steuern wir direkt auf den eisbedeckten Gipfel des 1.446 m hohen Snaefellsjökull am Westende der Halbinsel Snaefellsnes zu. Segeln zu Füßen eines mythischen Stratovulkans mit Gletscherkappe – das ist sensationell. Die Überfahrt war zwar rau und anstrengend, aber auch wärmer und trockener als gedacht. Die Esja Ist mit einem weit nach achtern reichenden, zeltartigen Verdeck ausgestattet, eine raffiniert geschnittene Mega-Kuchenbude, die nicht nur das gesamte Cockpit schützt, sondern auch beim Segeln nicht behindert; wenn die Sonne durch die Kunststoff-Fensterflächen schien, war es direkt kuschelig.

Trotzdem bin ich froh, in Arnarstapi, an der Südseite des Snaefellsjökull gelegen, an Land zu kommen. Beggi hat vorab mit dem Hafenmeister telefoniert und einen Platz an der Außenseite eines Päckchens aus sieben Fischerbooten zugewiesen bekommen. Die Nacht können wir hier zwar nicht verbringen, aber eine Weile bleiben, also vertäuen wir die Esja und vertreten uns die Beine. Die spektakuläre, stark zerklüftete Steilküste mit ihren schwarzen Basaltklippen, ausgeschwemmten Höhlen und bizarren Felsentoren gehört zu einem der vier isländischen Nationalparks und ist ein beliebtes Ziel für Wanderer, Arnarstapi ein aktiver Fischerhafen. Kein pittoreskes, für Touristen geschöntes Dorf, sondern ein Platz, an dem hart gearbeitet wird. Saisonfischer brechen von hier aus zum Kabeljaufang auf, Infrastruktur für Freizeityachten, wie man es vom Mittelmeer kennt, gibt es nicht. Das braucht auch nicht zu wundern: In ganz Island sind nicht mehr als 50 Segelyachten offiziell gemeldet, unsere Enya mit ihren 50 Fuß ist die größte. Auch eine Form der Exklusivität.

Beggi hat für uns einen Ausflug organisiert. Ein Mitarbeiter von Summit Adventure holt uns mit dem Jeep ab und bringt uns zu einer Höhle namens Vatnshellir, die bei einem Vulkanausbruch vor rund 8.000 Jahren entstanden ist. Die Fahrt dorthin dauert keine 15 Minuten, ist aber ein Erlebnis für sich. Die Straße schneidet durch ein Land aus Lava, das aussieht, als ob es von einem wahnsinnigen Giganten verwüstet worden wäre. Die Vatnshellir liegt 35 Meter unter der Erde; mit Helmen und Taschenlampen ausgestattet steigen wir über eine Wendeltreppe in die Tiefe und folgen Gudbjörg, einer jungen Frau mit weizenblondem Haar und trockenem Humor. Sie weiß allerlei zu erzählen, weist immer wieder auf spezielle Formationen oder geologische Besonderheiten hin. Wirklich interessant, allerdings macht mir die Kombination aus stundenlangem Segeln und Finsternis ganz schön zu schaffen. Ich bin landkrank und fühle mich im lichtlosen Untergrund reichlich wackelig auf den Beinen.

Zurück in Arnarstapi verlassen wir den Hafen und verholen uns auf einen nahen Ankerplatz. Beggi hat in unserer Abwesenheit Kjötsuppa zubereitet, eine traditionelle, isländische Speise, gekocht nach dem Rezept seiner Großmutter. Das klare Süppchen mit Karotten und Kartoffeln schmeckt ganz fein, das fette Lammfleisch, das darin schwimmt, ist zumindest für mich gewöhnungsbedürftig.

Andere Länder, andere Sitten

Breidafjördur heißt der 120 km lange und 50 km breite, mit zahlreichen Inselchen gesprenkelte Fjord, der die fingerförmige Halbinsel Snaefellsnes von den Westfjorden trennt. Er ist flach und weist einen relativ großen Tidenhub auf – gute Lebensbedingungen für Robben, Delfine, Zwerg- und Killerwale. Der Wind lässt sich heute nicht blicken, daher tuckern wir unter Motor um die Landspitze und halten dabei die Augen offen. Tatsächlich sichten wir eine kleine Gruppe von Orcas, sechs bis sieben Exemplare, die mit eleganten Bewegungen ihre Bahnen ziehen; ein eindrucksvolles Bild, das einem das Herz aufgehen lässt.

Unser Tagesziel ist Olafsvik, ehemals ein wichtiger Handelshafen. Wir können längsseits an der Pier liegen und sind wie in Arnarstapi die einzige Segelyacht unter lauter Fischerbooten.

Den gesamten Reisebericht über dieses außergewöhnliche Revier lesen Sie in der Yachtrevue 8/2017, am Kiosk ab 4. August!

Der komplette Bericht als PDF-Download:

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