Zwischen Pasta und Prosecco
In den Marinas von Friaul-Julisch Venetien finden Yachties nicht nur Schutz vor Wind und Wetter, sondern auch zahlreiche ausgezeichnete Restaurants
Friaul-Julisch Venetien, das war für mich lange Zeit Niemandsland in jeder Hinsicht, achtlos gestreift auf dem Weg nach Kroatien oder eilig links liegen gelassen, wenn die toskanischen Inseln Elba, Capraia oder Giglio riefen. Das Land schien zu klein, die Küste mit ihren knapp 60 Kilometern Länge zu unscheinbar, um mehr als schemenhafte Erinnerungen an sonnenverwöhnte Kindertage am Sandstrand von Lignano zu wecken.
Doch damit lag ich falsch. Rund 10.000 Liegeplätze für Segler und Motorbootfahrer gibt es hier und eine der größten Eignerflotten Italiens. 20 Marinas mit insgesamt 7.000 Liegeplätzen haben sich zu dem unabhängigen Netzwerk FVG Marinas Network zusammengetan und interessanterweise kann jede einzelne ein hervorragendes Restaurant vorweisen. In Italien gehört lustvolles Speisen eben zum grundlegenden Lebenskonzept – eine Marina ohne gute Gastronomie wäre rasch dem Untergang geweiht, würden sich doch selbst Gastlieger von ihr abwenden. Grund genug einen Streifzug durch die Marina-Küchen zu unternehmen und das Beste, das in Friaul-Julisch Venetien auf den Tisch kommt, einer Prüfung zu unterziehen.
Den Anfang mache ich in der Marina Sant’Andrea in San Giorgio di Nogaro. Maria, Chefin des Restaurants Ma:Ri, und Consuelo, ihre junge Mitarbeiterin und Vertraute, stecken mitten in den Vorbereitungen für den Abend. Vorsichtig hebt Maria, die sich nicht zu schade ist selbst mit anzupacken, ein durchsichtiges, hauchzartes Etwas von einer gekühlten Folie und legt es auf einen Teller. Es ist ein roher Scampi, den Maria am Vormittag vom Panzer befreit, ausgenommen, in millimeterdünne Scheiben geschnitten und danach wie ein Wiener Schnitzel (nur weitaus sanfter) geklopft hat. Die ungewöhnliche Kreation wird zu guter Letzt mit Olivenöl und versprengten Granatapfelkernen verfeinert – wahrlich ein Gedicht. Auch die anderen Speisen, die die Gäste im Ma:Ri ordern können, sind Neuinterpretationen uritalienischer Gerichte: Kräuter-Risotto, liebevoll und dauerhaft von Hand auf kleinster Flamme gerührt, bis das Ergebnis bissfest ist, aber auf der Zunge zergeht. Baccalà, also Stockfisch, der nach stundenlangem Wässern als halbwarmer Fischsalat mit Birne daher kommt. Oder die Frittura Mista, bei der alles, was die Lagune von Marano an diesem Tag an Meeresfrüchten und kleinen Fischen hergab, in Mehl gewendet und in siedendem Öl herausgebacken wurde.
Kunst der Pause
Es ist eine Freude, Maria und ihren Mitarbeiterinnen bei der Arbeit zuzusehen. Rauer Ton in der Küche? Von wegen! Dieses gängige Vorurteil wird hier fröhlich über Bord geworfen. Ob es daran liegt, dass nur Frauen mit den Töpfen, Pfannen und Messern hantieren? „Ich sage immer: Nur eine ruhige Seele kocht gut“, lächelt Maria. Ist die Mittagsarbeit erledigt, trifft man sie oft in ihrer Hängematte an. Eine Pause, die sie sich bewusst gönnt – und von ihrem Personal sogar verlangt. Stress im Restaurant wirkt sich auf die Qualität der Gerichte aus, davon ist sie fest überzeugt. Wenn ich sie mit Consuelo und den anderen Frauen am Herd scherzen und lachen sehe, kann ich gar nicht anders als ihr zu glauben.
Mein nächster Stopp führt mich in die Küche der Darsena San Marco, wo mir Giovanna Corretti, die junge Betreiberin der Marina, das Rezept für die Pasta „Scogliera Darsena” verrät: Mies-, Venus- und Jakobsmuscheln sowie Riesengarnelen werden in einer Sauce aus Meeresfrüchten, Tintenfisch, Krebsen und aromatischen kleinen Tomaten geköchelt. Auch die Pizza ist köstlich – und so groß, dass sie über den Teller hängt. Der geräucherte Ricotta, mit dem sie belegt ist, lässt mich fast den herrlichen Sonnenuntergang über der Lagune versäumen.
Auch gleich gegenüber, in der Marina Porto San Vito, die die Einfahrt nach Grado begrenzt, isst man im Marinarestaurant La Dinette alles andere als gewöhnlich. So werden die butterweichen Sardinen, die ich auf der Terrasse als Vorspeise bestelle, in einer ironischen Anspielung an die Seh- und Essgewohnheiten jenseits der Alpen in der Dose serviert. Dabei ist hier von Dosen weit und breit keine Spur, man möchte den Gast nur buchstäblich an der Nase herumführen.
Nur ein kurzer Abstecher ist es bis zur Marina Primero, gerade einmal sechs Seemeilen entlang der Küste nach Nordosten, wobei man sich wegen der Untiefen vom Ufer freihalten sollte