Amel 55
Amel baut seit Jahrzehnten sichere Blauwasseryachten mit eigenständiger Ausrichtung. Mit der Amel 55 will man Bewährtes fortführen, aber auch aktuelle Trends bedienen
Henri Amel, der legendäre Gründer der französischen Werft, starb vor zehn Jahren im Alter von 92 Jahren. Die letzte Yacht, bei deren Entwicklung er aktiv mitgewirkt hatte, war die Amel 54. Sie wurde getreu seinen Vorstellungen gebaut: Ketschtakelung, wasserdichte Schotten, tiefes Mittelcockpit mit Windschutzscheibe und Hardtop. Wesentlicher Teil der Philosophie war es die Yacht nahezu in Komplettausstattung anzubieten, was den Vorteil einer einfachen Aftersales-Betreuung bietet. Diese war und ist eine der großen Stärken der Werft und wohl mit ein Grund, weshalb sich viele Blauwassersegler für eine Amel entscheiden.
Langer Schatten
Die neue 55 ist nach der Amel 64 (Fahrbericht: Yachtrevue 9/2012) die zweite Yacht, die nach dem Tod Henri Amels präsentiert wird. Sein Spirit ist immer noch allgegenwärtig: Obwohl die 55 im Vergleich zur Vorgängerin einen modernen Rumpf mit breitem Heck, hohem Freibord und vergleichsweise steilem Bugsteven aufweist, ist sie eine Amel in bester Tradition. Kernstück ist das tief liegende Mittelcockpit, das wahlweise mit Hardtop oder Cabrioverdeck mit fixer Scheibe kombiniert werden kann. Typisch ist auch die Ketschtakelung. Dieses heutzutage eher ungewöhnliche Riggkonzept zielt vor allem auf Blauwassersegler sowie kleine Crews ab und punktet mit vielfältigen Vorteilen. Man muss nicht mit großen Segelflächen hantieren, sondern kann die relativ kleinen Segel mühelos den jeweiligen Bedingungen anpassen. Setzen und Bergen ist rasch erledigt, sollte ein Segel schadhaft sein, gibt es immer eine Alternative. Und beginnt die Yacht vor Anker liegend unangenehm zu schwojen, dann rollt man das Besansegel etwas aus und schon kehrt Ruhe ein.
Auch das Unterwasserschiff haben Berret/Racoupeau den Bedürfnissen der Blauwassersegler angepasst. So hängt das Ruder an einem massiven Skeg und der Propeller sitzt gut geschützt an der Kielhinterkante, wo er via Winkelgetriebe angetrieben wird. Praktischer Nebenaspekt: Der Propellerschub wirkt auf den Kiel und belastet nicht den Motor sowie dessen Aufhängung.
Oberste Prämisse bei der Konzeption der Amel 55 war das Thema Sicherheit, deshalb sind sämtliche segelrelevanten Einrichtungen vom tiefem Cockpit aus zu bedienen. Das Besansegel beispielsweise lässt sich via Winschen am Mast trimmen, setzen oder bergen. Lediglich der achtern hinter dem Kajütaufbau montierte Traveller kann nicht vom Cockpit aus verstellt werden. Die Genua respektive das Kuttersegel sind über gut positionierte Winschen bedienbar. Beide Vorsegel werden über separate Schienen geschotet, wobei diese so weit nach vorne reichen, dass die Holepunkte auch bei gerefften Segeln optimal eingestellt werden können. Ein Detail nur, das aber die Erfahrung der Werft mit Nachdruck unterstreicht.
Ein Traum für jeden Salzbuckel ist die Ankerkonfiguration, die aus einem massiven Niro-Bügelanker mit 100 Meter Kette plus Ankerwinsch und Süßwasserpumpe zum Waschen des Ankers besteht. Weiters gehören eine zweite Ankerrolle inklusive Vorbereitung für ein zweites Ankergeschirr, das parallel zum Hauptanker gefahren werden kann, zur Standardausrüstung. Und sollte die 55 nicht vor Anker sondern an einer Mole legen, stehen insgesamt acht (!) serienmäßige Belegklampen zur Verfügung – sicher ist sicher.
Unterwegs
Die Segeleigenschaften einer Amel müssen aus dem Blickwinkel eines Langfahrtseglers betrachtet werden. Sitzposition hinter dem Rad, Blick auf die Windfäden im Vorsegel, Gefühl am Rad – das sind Dinge, die auf Dauer in den Hintergrund treten.