Suchtpotential
Die neue First 30 ist ein wendiger und agiler Weekender mit Regatta-Ambitionen. Die angekündigten Gleiteigenschaften wurden beim Test in Portorož eindrucksvoll unter Beweis gestellt
First 30
Zweiter Test-Tag in Portorož, die angesagte Bora findet statt. Zwanzig Knoten an Land, in der Bucht dezente weiße Linien. Die Gewöhnung ans Gerät am Tag davor muss genügen, zu zweit geht es aufs Wasser. Statt des großen, topgetakelten Gennakers ist der furlbare Code 0 angeschlagen und ein Reff vorbereitet. „Aber beim Rausfahren auf Raumschotkurs können wir das Großsegel voll setzen“, ist sich Tit Plevnik, Leiter Customer Experience & Marketing bei Seascape und zweiter Mann an Bord, sicher. Gesagt, getan. Schon beim Abfallen nur mit dem Groß wird es zweistellig, nach dem Ausrollen des Vorsegels dauert es nur wenige Augenblicke und wir realisieren das seit der Weltpremiere in Düsseldorf propagierte Motto „ready2plane“ – mit über 14 Knoten und in voller Gleitfahrt geht es Richtung Kroatien. Der Weg zurück ist etwas härter. Wir ziehen das vorbereitete erste Reff im Groß ein und rollen die Fock nur zur Hälfte aus. Obwohl das Gewicht auf der Kante mangels weiterer Crewmitglieder fehlt, bleibt die First gut kontrollierbar, reagiert aber zunächst mit sehr starker Krängung. Hat man sich daran gewöhnt und die richtige Mischung aus Höhe und Speed gefunden, geht es auch gegen den Wind ab, in unserem Fall mit bis zu 7 Knoten zurück Richtung Marina. Mit voll gezogenen Trimmeinrichtungen – Achterstag, Unterliek und Cunningham – wird der Druck in den Böen vom Steuermann erst mal mit dem Traveller kontrolliert. Reicht das nicht mehr, muss die Großschot gefiert werden. Dank Doppelruderanlage bleibt gefühlt alles unter Kontrolle, gleiches gilt für die Gleitfahrt mit dem Code 0.
Nischenprodukt
Rückblende: Auf der boot in Düsseldorf präsentiert man die First 30 im Jänner erstmals der Öffentlichkeit. Wie alle kleinen Modelle (Anm.: als klein firmiert alles unter 40 Fuß) aus der First-Palette wurde auch der jüngste Wurf vom Seascape-Team rund um Andraz Mihelin erdacht und entwickelt. Konstruktion und nautisches Design blieben in den bewährten Händen von Samuel Manuard, der schon 2019 für die allererste Seascape verantwortlich zeichnete. Der Franzose kommt aus dem Rennsport, seine Class-40-Entwicklungen heimsen regelmäßig und weltweit Siege ein; zuletzt sorgte er mit seinen IMOCA60-Designs für Aufsehen. Entsprechend intensiv gestalteten sich die Diskussionen rund um die generelle Ausrichtung des neuesten Modells. Neben hervorragenden Segeleigenschaften wurde auch Alltagstauglichkeit ganz oben ins Pflichtenheft geschrieben. Im Zentrum der Überlegungen stand die neue Yachtkategorie Planing-Cruiser. „Das Racing-Cruiser-Konzept, bei dem ein Minimum an Interieur in klassische Rennrümpfe geschraubt wurde, hat 30 Jahre lang gut funktioniert – aber diese Zeiten sind aus unserer Sicht vorbei“, erklärte Tit Plevnik in Düsseldorf. Der Auftrag für die First 30 war so eindeutig wie schwierig: Eine familientaugliche Yacht sollte es sein, die ins Gleiten kommt und beim Wochenend-Ausflug mit Freunden genauso abliefert wie bei küstennahen Regatten. Nicht unwesentliche Nebenbedingung war ein großes Ausrufezeichen auch beim Preis. Als Basispreis (ohne Segel und exkl. USt.) stehen aktuell € 100.000,– zu Buche. Die Konkurrenz in dieser Liga ist äußerst überschaubar, am ehesten kommen Pogo und JPK von der Renn-Seite sowie die J/99 als Performance Cruiser in Frage. Im Vergleich zu Letzterer bringt die First 30 rund 800 kg weniger auf die Waage, die Pogo 30 schwebt preislich in einer anderen Sphäre.
Beweisführung
Beim Test konnten wir punkto Segel aus dem Vollen schöpfen. Am Z-Spars-Rigg war eine schwarze Garnitur aus der North Sails Performance Serie angeschlagen – Mehrpreis zur Dacron-Standardgarnitur rund € 2.500,– (exkl. MwSt.). Am ersten Tag nutzten wir den 99,5 m2 großen, am Top angeschlagenen Gennaker, am nächsten Tag kam bei Bora der in der Ausstattungsliste als Furling-Gennaker geführte Code 0 zum Einsatz. Obwohl nur zu zweit unterwegs, gestaltete sich der Wechsel von Code 0 auf Fock und zurück problemlos. In der Standardausstattung wird das Groß über ein German SheetingSystem kontrolliert.