Sun Odyssey 380
Jeanneau ist Erfinder des Walkaround-Cockpits und setzt das Konzept erstmals auf einer Yacht unter 40 Fuß um. Die entscheidende Frage lautet: guter Plan oder Schnapsidee?
Viel länger hätte sich Jeanneau mit der Präsentation der neuen Sun Odyssey 380 nicht Zeit lassen dürfen, haben doch Bavaria mit der C38 und Dufour mit der 390 je eine supermoderne Yacht im Programm. Die Sun Odyssey 385, also jenes Modell, das von der 380er abgelöst wird, war satte elf Jahre am Markt, wobei sie anfänglich unter der Bezeichnung SO 375 lief und erst nach einem Facelift auf 385 umbenannt wurde. Tatsächlich war die kleine Fahrtenyacht lange Zeit im Eigner- und Chartersegment ein Bestseller, hat aber durch den aktuellen Trend zu überbreiten Rümpfen mit beinahe unglaublichem Platzangebot und guten Segeleigenschaften ihr Ablaufdatum längst überschritten. Das lange Zuwarten nährte Spekulationen, dass sich die Werft schwer damit tut, das von Jeanneau erfundene Walkaround-Cockpit auch auf einer Yacht unter 40 Fuß umzusetzen.
Zur Erinnerung: 2017 erregte die Sun Odyssey 440 ordentlich Aufsehen. Die von Marc Lombard gezeichnete Yacht verfügte über einen spektakulären, sportlich wirkenden, breiten Rumpf mit Hard Chines und erinnerte eher an eine Regatta- als Familienyacht. Wirklich revolutionär war das sogenannte Walkaround-Cockpit, bei dem die Seitendecks gegen achtern hin bis auf das Niveau des Cockpitbodens abfallen – so konnte man stufenlos rund um das gesamte Boot spazieren. Die anfängliche Skepsis bezüglich negativer Auswirkungen auf das Platzangebot unter Deck erwies sich als haltlos und die Sun Odyssey 440 wurde vor vier Jahren zu Europas Yacht des Jahres in der Kategorie Fahrtenyachten gewählt. In Folge setzte Jeanneau das Konzept zeitnah bei Sun Odyssey 490 und 410 um, dann war Sendepause – vorläufig zumindest.
Gut Ding braucht Weile
Im Frühjahr letzten Jahres wurden erste Renderings der Sun Odyssey 380 veröffentlicht und siehe da, die Franzosen hatten das Walkaround-System nun tatsächlich auf einer kleinen Yacht realisiert. Das hatte kaum jemand für möglich gehalten; dementsprechend groß war erneut die Skepsis vor den weltweit ersten Testfahrten im Spätherbst vor Port Ginesta, Spanien.
Auch diese Konstruktion stammt von Marc Lombard, der den mittlerweile typischen breiten Sun-Odyssey-Rumpf mit Hardchines schuf. Im Heckbereich ganz hinten gibt es nicht nur eine, sondern drei Kanten. Direkt an der mittleren Kimmkante sitzen die beidseits nur wenige Zentimeter vom Rumpfende entfernt montierten Ruderblätter. Ziel dieser Konfiguration ist es, einen optimalen Strömungsabriss zu erzielen. Die vierte Kante im Rumpf befindet sich wenige Zentimeter unter der Rumpfdecksverbindung. Der ab dieser Kante leicht nach Innen geneigte Teil der Bordwand soll lediglich den ohnehin nicht übertrieben hoch wirkenden Freibord niedriger erscheinen lassen, sprich die sportliche Anmutung der Yacht unterstreichen.
Noch mehr Hirnschmalz floss in die Entwicklung des Walkaround-Cockpits. Die Kunst bestand darin, in den Achterkajüten trotz sich absenkender Seitendecks ein insgesamt gutes Raumgefühl mit reichlich lichter Höhe in allen Bereichen zu erzielen. Beides ist sehr gut gelungen, zudem bieten die extrem weit nach achtern gezogenen Bänke im Cockpit mehr Platz zum Sitzen, als es auf einer Yacht dieser Größe üblich ist.
Omnipräsente Kreativität
Durch ebendiese überlangen Sitzbänke rückten die beiden Steuersäulen soweit nach achtern, dass der Steuermann quasi am letzten Zipfel sitzt. Klingt komisch, fühlt sich aber fein an, denn anders als auf der größeren Schwester SO 410 gibt es kein geteiltes Achterstag, das den Steuermann speziell in sitzender Position beeinträchtigen könnte. Stattdessen hat man sich für ein leistungsfähiges Rigg mit zwei stark gepfeilten Salingpaaren entschieden. Frei nach dem Motto: Wo nichts ist, kann auch nichts im Weg sein. Das fehlende Achterstag ist natürlich ein Kompromiss, aber es gibt einen starren Niederholer und der Mast wird mit erstaunlich viel Mastfall und reichlich Dampf auf den Wanten gefahren. Beide Maßnahmen sorgen dafür, dass das Vorstag in einem spitzeren Winkel am Mast ansetzt, weniger Durchhang hat und die Kontrolle via Großschot besser funktioniert.