Für immer jung
Am Bodensee ist mit der 8mR Bera eine Olympiasiegerin zu Hause, die heuer ihren hundertsten Geburtstag feierte. Dennoch gehört sie keineswegs zum alten Eisen und segelt bei Regatten nach wie vor an der Spitze mit. Verena Diethelm hat die elegante Lady in Bregenz besucht
Bei den Olympischen Spielen 1924 in Paris ist mehrfach Geschichte geschrieben worden. Die Wettkämpfe in 23 Disziplinen fanden erstmals unter dem Motto "Schneller, höher, stärker" (citius, altius, fortius) statt, ein gewisser Johnny Weissmüller schwamm zu dreifachem Gold, in der Leichtathletik fielen trotz Temperaturen bis 45 Grad sieben Weltrekorde. Im Segeln erwies sich eine kleine skandinavische Nation als Macht: Norwegen holte in zwei von drei Disziplinen Gold sowie einmal Silber und gewann überlegen den Medaillenspiegel. Eine der Siegerinnen war die 8mR-Yacht Bera, geschaffen vom bekannten norwegischen Konstrukteur und Vater des Drachens, Johan Anker, und 1922 vom Stapel gelaufen; sie wurde in Paris von ihrem Eigner, dem norwegischen Geschäftsmann August Ringvold, persönlich zu Gold gesteuert.
Bereits im ersten Jahr ihres Bestehens hatte Bera vor Le Havre den internationalen Coupe de France, den damals bedeutendsten Preis der Acht-Meter-Klasse gewonnen. In den folgenden Jahren fuhr die Olympiasiegerin so viele erste Plätze ein, dass man sie mit dem Spitznahmen "Gold-Achter" bedachte. In den 1960er Jahren wurde Bera nach Dänemark verkauft und es begann eine schwierige, unbeständige Zeit für sie. Beim Überführungstörn landete Bera vor Tuborg auf einem Felsen und sank. Das Schiff wurde gehoben und sollte in den 1980er Jahren für einen Banker aus Kopenhagen für eine Weltumsegelung umgebaut und ausgerüstet werden – ein Vorhaben, das kläglich misslang. Das demontierte Schiff wurde schließlich an einen gewissen Torben Larsen verschenkt. Er hatte mit der Restaurierung alter Holzyachten Erfahrung, stellte mangels bestehender Baupläne den Originalzustand anhand alter Fotos wieder her und benannte Bera – gegen jede Tradition – zu Ehren seiner japanischen Frau in Asakaze (Morgenbrise auf Japanisch) um.
Vom Salz- ins Süßwasser
1990 suchte der Vorarlberger Werner Schifferl nach einem 75er Nationalen Kreuzer und wurde von einem auf Oldtimer spezialisierten Makler auf die Asakaze/Bera aufmerksam gemacht. Nach einem Besuch in Dänemark war die Sache klar und der Gold-Achter übersiedelte nach 68 Jahren im Salzwasser an den Bodensee, wo sich die weltweit größte Flotte von 8mR, die aktiv an Regatten teilnimmt, befindet.
Schifferl gab Bera nicht nur ihren ursprünglichen Namen zurück, sondern drückte ihr auch seinen ganz persönlichen Stempel auf. Unter seiner Ägide wurde die Kajüte wohnlich gestaltet sowie ein Gläser- und Kühlschrank eingebaut; Letzterer war stets mit gutem Wein gefüllt. Außerdem wurde der Rumpf einem Refit unterzogen, innen und außen komplett abgezogen, geschliffen und aus zwei kreuzweise mit Epoxyharz verleimten Mahagonischichten neu aufgebaut. Der Vorarlberger Unternehmer Werner Deuring, der die Bera 2010 von Schifferl übernahm, baute den Achter gemäß der ursprünglichen Formel der 8mR-Neptun-Klasse (siehe auch Kasten auf Seite ??) zurück und restaurierte den Oldtimer originalgetreu. So ließ er sämtliche Winschen gegen aus Bronze gegossene, neue Modelle tauschen, auch Holzmast, -baum und -blöcke wurden ersetzt. Der neue Mast stammt vom holländischen Spezialanbieter Brasker Masten und besteht aus dem hochqualitativen Holz der kanadischen Sitka Fichte, die nur für den Bau von Masten, Flugzeugflügel und Musikinstrumenten verwendet wird.
2015 gab Werner Deuring einen Neubau in Auftrag und suchte einen Abnehmer für die frisch renovierte Bera. "Als Raphael Rüdisser und ich davon erfahren haben, war klar, dass das nur zu viert machbar ist", erzählt der ehemalige OeSV-Vizepräsident Wolfgang Mähr. In Folge überzeugten sie nicht nur zwei Kollegen aus dem Yacht Club Bregenz, nämlich Peter Novak und Matthias Luger, sondern auch deren und ihre Familien.