Signora trifft Signorina

Vor 13 Jahren lief die erste Solaris One 60 vom Stapel, vor einem Jahr präsentierte die italienische Werft die neue Solaris 60. Roland Duller, der beide Modelle gesegelt ist, erläutert an ihnen beispielhaft die Entwicklungen im Yachtbau

Signora trifft Signorina

Gleiten die zwei Yachten auf einem Kreuzkurs Seite an Seite und mit wenig Lage über das Wasser, ist für Laien kaum ein Unterschied erkennbar. Die Linien sind gestreckt, die Rumpfluken kantig, der flache Kajütaufbau endet, wie man es von Superyachten kennt, vor dem Mast (vom Steuerstand aus gesehen), das Flushdeck ist frei von jeglichen Stolperfallen, die Erscheinung eine perfekte Mischung aus Eleganz und Sportlichkeit. Tatsächlich gibt es aber eine Menge Unterschiede, denn im letzten Jahrzehnt ist im Yachtbau viel passiert. Augenscheinlich ist zum Beispiel die insgesamt größere Maximalbreite des Rumpfes, der sich nach achtern hin kaum verjüngt und über eine voluminöse Bugsektion verfügt. Signifikant erhöht wurde außerdem der Freibord, wodurch man gleich mehrere Vorteile generierte. Der Kajütaufbau konnte sehr flach gehalten werden. Das schafft eine elegante Silhouette und – wichtig im Alltag an Bord – extra Volumen in allen Bereichen.

Zwei Konstrukteure, zwei Konzepte

Einer, der das moderne Yachtdesign federführend mitgeprägt hat, ist Javier Soto Acebal. Der argentinische Konstrukteur zeichnet seit zehn Jahren die Yachten für Solaris und vermochte bislang mit jeder Neuentwicklung die Grenze hinsichtlich der Breite noch weiter aufzustoßen. Die neue Solaris 60 steht für die allerletzte Generation im Größensegment bis 60 Fuß und bietet, abgesehen von unglaublich viel Platz, eine höchst funktionelle Dingigarage, in die das Beiboot in Längsrichtung passt, ein modernes Rigg sowie ein Deckslayout, das auf die Bedürfnisse einer kleinen Crew ausgerichtet ist und sogar für Solisten bestens passt. Die Weitläufigkeit im Cockpit suggeriert eine deutlich größere Yacht, die beiden Cockpittische (auf der alten 60er gibt es nur einen) nutzen den vorhandenen Platz besser und dank extrem schmaler seitlicher Duchten hinter den Steuersäulen konnten die Räder weit außen positioniert werden. Mit allen damit verbundenen Vorteilen, etwa guter Sicht nach vorne und auf die Fäden im Vorsegel. Diese schmalen Duchten sind ein Markenzeichen der jüngsten Solaris-Generation, optisch grandios und ein Zitat aus der Megayachtszene. Kleiner Wermutstropfen: Zum längeren Sitzen eignen sich die Sülls nicht, deshalb bietet man mittlerweile für jeden Steuerstand ein optionales Klapp-Bankerl an.

Die Entstehungsgeschichte der alten Solaris One 60 stand unter grundsätzlich anderen Vorzeichen. Damals war die Werft in erster Linie auf Custom- und Semicustom-Yachten spezialisiert, mit den Serienyachten betrat man Neuland und mehr als zehn Modelle unter 60 Fuß pro Jahr wurden nicht gebaut. So ist es nicht verwunderlich, dass man für die Konzeption der Solaris One 60, die eigentlich an der Schwelle der Semicustom-Abteilung stand, Bill Tripp engagierte. Der Amerikaner war in erster Linie auf Megayachten spezialisiert und transferierte vieles aus diesem Genre in die Solaris One 60. Roman Mayrhofer, Solaris-Repräsentant und Eigner der Baunummer 2, nennt beispielhaft die Bedienung von Großschot (Magic-Trim-Zylinder), Genuarollanlage, Ankerwinsch und dergleichen mittels Cariboni-Hydraulik – echtes Push-Button-Sailing, mit dem er laut seiner Aussage noch nie Probleme hatte.

Zahlen und Fakten

Aufschlussreich ist der Breiten- und Längenvergleich. Die Neue hat um 17 Zentimeter mehr Maximalbreite. Das klingt wenig, aber weil sich die Yacht nach achtern hin so gut wie nicht verjüngt und im Vorschiffsbereich extrem voluminös ist, spielt sie hinsichtlich Platzangebot im Cockpit und unter Deck in einer anderen Welt. Die Heckkajüten mit großen Rumpfluken wirken im direkten Vergleich riesig, außerdem gibt’s auf der Neuen zwei idente Nasszellen mit getrennten Duschen, während auf dem Tripp-Design das Bad an Backbord kleiner ausgefallen ist.

Bei der Länge fällt auf, dass die Solaris One 60 mit 18,95 Metern eigentlich eine 62er ist, punkto Wasserlinie hat hingegen die Neue mit ihrem gemäßigten Wavepiercer-Bug die Nase vorn.

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