Erste Hilfe auf See
Die richtige Erstversorgung kann zwischen Leben und Tod entscheiden. Eine Anleitung für das Verhalten bei Notfällen auf See
Die gute Nachricht zuerst. Medizinische Notfälle an Bord sind selten. Es gibt zahlreiche Sportarten, die weit verletzungsanfälliger sind als Segeln. Fußball zum Beispiel, aber auch Mountainbiken oder Skifahren. Nun zur schlechten Nachricht. Während bei einem Unfall auf der Piste ärztliche Hilfe meist innerhalb von 15 Minuten eintrifft, können auf See Stunden, wenn nicht gar Tage vergehen, bis ein ausgebildeter Retter an Bord kommen bzw. der nächste Hafen angelaufen werden kann. Wetter, Seegang, begrenzter Raum und limitierte Ressourcen erschweren zudem die Erstversorgung von verunfallten oder erkrankten Personen. „Erste Hilfe am Schiff, eventuell noch unter Eigengefährdung und bei schlechtem Wetter, ist wie das Eindrehen einer Schraube auf der ISS“, beschreibt es Holger Ferstl, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Maritime Medizin und Sicherheit zur See (ÖGMMSS). Wer schon mal versucht hat, jemanden in einem engen Cockpit in die stabile Seitenlage zu bringen, weiß, wovon er spricht …
Dazu kommt, dass aus notfallmedizinischer Sicht selbst die Küstengebiete im Mittelmeer als „remote area“ gelten. Darunter versteht man abgelegene Gebiete, in denen auf ein rasches Funktionieren der Rettungskette kein Verlass ist. „Remote area beginnt nicht erst in den Kornaten, sondern bereits mit dem Auslaufen aus der Marina“, erklärt Ferstl, der als Bundesheer-Arzt auf die medizinische Versorgung in abgelegenen Gebieten spezialisiert ist. Viele Adria-Segler unterlägen dem Trugschluss, dass ihnen bei einem medizinischen Notfall ein Rettungshubschrauber zur Hilfe kommen würde. Tatsächlich sind aber an der kroatischen Küste bis dato überhaupt keine Rettungshubschrauber im Einsatz. Immerhin hat das kroatische Gesundheitsministerium im August 2015 ein Pilotprojekt mit zwei Hubschraubern in der Kvarner-Region und Split gestartet, die einen Radius von 20 Minuten Flugzeit abdecken können. Ob aus dem Pilotprojekt eine ständige Einrichtung wird, steht noch in den Sternen.
Folglich kommt dem Ersthelfer auf See eine weit größere Bedeutung als an Land zu.