Segeltörn Ostägäis

Türkei: Die Nahtstelle zwischen Europa und Asien bietet ein wunderbares Revier, Alaçatı den idealen Ausgangspunkt

Segeltörn Ostägäis

„Germany fly?“, fragte der Zwei-Sterne-General nach einem sorgfältigen Studium des Formulars unter besonderer Beachtung der Stempel des Hafenkapitäns und des Zolls.
„Yes, Sir.“
„Germany fly!“, bellte er durch die Amtsstube, Triumph der Erkenntnis, Aufruf zur sofortigen Amtshandlung.
Es war aber kein Untergebener da, der sich an die Arbeit machen konnte. So faltete der Wachhabende den Rest seines Imbisses (Tomaten, Gurke, Brot mit braunem Aufstrich) in eine Folie und verwahrte das Päckchen behutsam in seiner Aktentasche. Im Fernsehen sprach Tsiparis zu einer Menschenmenge.
Die Last der Verantwortung drückte den Mann nun schwer. Unter seinem rauchgebeizten Schnauzer drang das Schnaufen eines hart arbeitenden Menschen hervor, die schwarzen Augen unter den buschigen Brauen verengten sich zu Schlitzen höchster Konzentration. Der Mann schob Laden auf und zu, untersuchte die Ablage mit den Plastikfächern nach geeigneten Papieren, öffnete einen metallenen Wandschrank und blickte lang und tief und ernst hinein. Aber Schrank und Schreibtisch gaben nicht preis, was der Beamte für seine Tat benötigte. So verschloss er den Wandschrank wieder, verließ die Amtsstube, schob seinen schweren Körper eine knarrende Treppe hoch, brüllte Fragen durch das Haus und erhielt von einer fernen gleichmütigen Frauenstimme einen Hinweis, der ihm bei der Erfüllung seiner Pflicht behilflich war. Zurück in der Stube löste der General einen Satz von drei Papieren von einem Block, gravierte Buchstabe für Buchstabe den Schiffsnamen in die Kopfzeile des obersten Papiers, bezifferte unter Punkt 3 die Größe des Schiffes mit 50 x 50 m, setzte 8,80 Euro als Gebühr ein, berechnete 16% Steuer mit einem Olivetti-Taschenrechner aus der Zeit der Punischen Kriege und summierte Gebühr plus Steuer auf einen Gesamtbetrag von 10,60 Euro. Nachrechnen. 10,20.
Nach einer letzten Überprüfung des Werkstücks legte er eine Durchschrift in den grünen Korb der Ablage, die zweite in den roten. Dann brummte er zufrieden, überreichte mir das Dokument und nahm 10,20 in Empfang. Abgezählt, was den Diener seines Staates sichtlich erleichterte, weil es ihn der Last der Wechselgeldbeschaffung enthob.
Saftiger Stempel aufs Permit.
„Kaliméra!“
„Kaliméra.“
***
Dergleichen kann man in Pithagoreion erleben. Auch heute noch. Phitagoreion ist die Stadt auf Samos, in der man einklariert, nachdem man sich in der Gegend von Kuşadasi von der türkischen Küste gelöst und griechische Gewässer erreicht hat. Es ist auch – der Name sagt es schon – die Stadt des Mathematiker und Philosoph Phytagoras. Nur noch wenig erinnert heute an den großen Mann und die bedeutendste Zeit der Insel. Ein Denkmal am Kai, eine Wasserzuleitung durch den Berg, die für ihre Zeit ein Wunderwerk der Ingenieurskunst war, heute aber als dunkles feuchtes Loch kaum beeindruckt. Wer an Altertümern interessiert ist, findet an der türkischen Küste reichlich davon. Ephesos zuallererst, herausragendes Zeugnis von griechisch-römischer Macht- und Prachtentfaltung, von Niedergang und beständiger Zerstörungslust der Geschichte an einer Nahtstelle der Kulturen.
***
Die Zeiten sind freundlicher geworden. Als ich vor gut 35 Jahren erstmals in dem Revier segelte, war der Wechsel zwischen den historisch entzweiten Staaten Griechenland und Türkei noch ein prickelndes Unterfangen.

Den gesamten Törnbericht lesen Sie in der Yachtrevue 11/2015, am Kiosk ab 2. November!

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