Auf den Leib geschneidert
Der aus Oberösterreich stammende Yachtdesigner Harry Miesbauer entwarf für einen langjährigen Freund einen 65 Fuß langen Cruiser-Racer. Judith Duller-Mayrhofer sprach mit ihm über den spannenden Entwicklungsprozess und diverse Tücken, die typischerweise im Detail lagen
Wer über den Atlantik segelt (und das nicht gerade im Rahmen einer Regatta tut), hat üblicherweise viel Zeit zum Nachdenken. Manche sinnieren über Persönliches, wie Work-Life-Balance oder Beziehungsstatus, andere stellen sich den großen Themen der Menschheit. Als Gregor Stimpfl, ein Versicherungsmakler aus Bozen, im Jahr 2010 über den großen Ozean schipperte, beschäftigte er sich vor allem mit einer Frage: Wie sieht die ideale Yacht für mich aus? Seine damals drei Jahre alte 62er, die er gerade Richtung Westen bewegte, war es nicht, das wusste er spätestens, als er die Matratze aus seiner Vorschiffskoje auf den Boden verfrachten musste, weil er im Seegang auf der breiten Fläche weder Halt noch Schlaf fand. Aber auch manch anderes Detail, das ihm davor komfortabel und praktisch erschienen war, bewährte sich auf der Langstrecke nicht. Zwischen Theorie und Praxis tut sich eben manchmal ein erheblicher Spalt auf …
Unterstützt bei seinen Überlegungen wurde er von Harry Miesbauer, einem Mann, der beste Voraussetzungen für ein derartiges Planspiel mitbrachte. Der österreichische Yachtdesigner, der seit 2007 am Comer See ein eigenes Studio betreibt (siehe auch Kasten auf Seite ??), kennt Stimpfl seit vielen Jahren, war gegen ihn Laser 5000 und mit ihm Melges 24 gesegelt. Er hatte bei Stimpfl als Teil der Transat-Crew an Bord eingecheckt und ließ sich in langen Stunden nur zu gerne in einschlägige Gespräche verwickeln; immer wieder zückte er den Zeichenstift, um seine Ideen zu Papier zu bringen und so besser begreifbar zu machen. Wiewohl die beiden Männer das Thema mit Feuereifer und Herzblut diskutierten, rutschte es nach der geglückten Ankunft in der Karibik wieder vom Tisch. Stimpfl war nicht reif für ein neues Boot, Miesbauer bis über beide Ohren mit Arbeit eingedeckt.
Erst im Sommer 2015 wurde der lose Faden wieder aufgenommen und bei einem gemeinsamen Törn vor Sardinien neu verknüpft. 2016 bat Stimpfl den Austro-Designer, erste Entwürfe für eine 65-Fuß-Yacht anzufertigen. Sie sollte primär bei anspruchsvollen Langstrecken-Regatten wie Fastnet oder Sydney-Hobart richtig gute Figur machen, sich aber auch zum entspannten Cruisen mit der Familie eignen. Am 23. Dezember 2016 besuchte Harry Miesbauer seinen Freund in Bozen und zeigte ihm einen Satz Zeichnungen. Sie griffen vieles von dem auf, worüber damals am Atlantik gesprochen worden war, und begeisterten Stimpfl sowohl auf den ersten, als auch den zweiten Blick. Er gab sein Go und das Projekt konnte bei der für Custom-Yachten bekannten Werft Adria Sails in Fano starten.
Die Kunst, Kompromisse zu finden
Miesbauer hatte sich bei seinem Entwurf an der wichtigsten Vorgabe des Eigners orientiert: Der Schwerpunkt sollte (trotz Familientauglichkeit) auf starker Performance und guten Allroundeigenschaften liegen. „Wenn du die Rumpflinien zeichnest, egal ob mit 20 oder 65 Fuß Länge, musst du immer zwischen geringem Gewicht, geringer benetzter Fläche und hohem aufrichtendem Moment abwägen“, sagt der Designer, „das ist wie bei einem Drei-Hütchen-Spiel, bei dem es nur einen Sieger geben kann. Und den gibt letztlich der Eigner mit seinen Bedürfnissen vor.“ Die Hägar V, die bei der Werft unter Scuderia 66 läuft, sollte, so lautete der Wunsch von Gregor Stimpfl, auf jeden Fall über ein hohes aufrichtendes Moment verfügen. „Das sind quasi die PS vom Schiff“, erklärt Miesbauer, „sie bringen mehr Formstabilität und Komfort, gehen andererseits aber auf Kosten von benetzter Fläche und Leichtwindeigenschaften.“