Überraschende Erkenntnisse
Wie ist die nautische Branche durch die Corona-Saison gekommen? Roland Duller hat mit zahlreichen Unternehmern gesprochen und von arbeitsintensiven Zeiten, aber auch erfreulichen Wendungen und ausgezeichneten Umsatzzahlen gehört
Die Welt ist in weite Ferne gerückt, das Reisen schwierig bis unmöglich geworden. Das machte und macht den Charter-Veranstaltern und Agenturen logischerweise stark zu schaffen (siehe auch „Dringender Aufholbedarf“, ab Seite ??). Auf andere nautische Branchen hat sich die Corona-Pandemie hingegen nicht negativ ausgewirkt, manche können sich sogar zu den Gewinnern der Krise zählen. Denn Menschen mit Affinität zum Wasser haben heuer vermehrt in Aktivitäten investiert, denen man in Österreich nachgehen kann – sie kauften Boote, die sich für heimische Gewässer eignen, und rüsteten Boote, die sich bereits in ihrem Besitz befanden, umfassend auf.
Zum Beispiel mit neuen Segeln. „Wir hatten ein sehr gutes Jahr“, bilanziert etwa Florian Raudaschl, „und es gibt schon zahlreiche Bestellungen für 2021. Auch unser Sportcamp ist super gelaufen, die Segel- und Windsurfkurse waren bestens gebucht. Ich bin glücklich, anders kann ich es nicht sagen.“
Glücklich, aber abgekämpft nach anstrengenden Monaten ist Andrea Seidl von North Sails: „Wir hatten extrem viel zu tun, auch was Sonnenschutz oder Persenninge betrifft. Bei den Segeln hätten wir sogar noch mehr verkaufen können, aber bei North gab es Lieferengpässe, weil die Produktion eine Zeitlang geschlossen war und es nicht möglich war, in den Lofts im Schichtbetrieb zu arbeiten.“ Lediglich im Bereich One Design habe es Einbußen gegeben, weil der Regattazirkus still stand.
Extrem viel zu tun, genau diese Worte benutzt auch Andreas Hanakamp. Sein Partner Elvström warb mit einer speziellen Corona-Aktion, die von den Kunden sehr gut angenommen wurde, den Händlern allerdings wenig Gewinn brachte. „Der persönliche Einsatz war hoch, die Marge gering“, fasst er zusammen, „aber unterm Strich haben wir das Jahr gut überstanden.“
Von einem blauen Auge, mit dem man davon gekommen sei, sprechen Isabella Monitzer und Christian Binder von One Sails. „Der erste Lockdown fiel genau in unsere Hauptsaison, die Grenzen waren zu, der Neusiedler See auch, und wir konnten nicht ausliefern“, erinnert sich die Chefin. Die Saison wäre wie eine Achterbahnfahrt gewesen, aber jetzt habe sich die Lage stabilisiert und man sehe sehr beruhigt in die Zukunft.
Daheim Spaß haben
Kurzfristig beunruhigt war Gerhard Ascherl, Chef des gleichnamigen Großhandels-Betriebs mit Sitz in Vorarlberg. „Wir haben im Mai einen Container mit knapp 300 SUP-Boards aus China bekommen und hatten ernsthaft Sorge, ob sich die unter diesen Umständen verkaufen lassen. Da habe ich ein paar Nächte schlecht geschlafen“, gibt er offen zu. Doch seine Sorgen erwiesen sich als unbegründet: Die Bretter gingen weg wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln, auch die Nachfrage nach anderen Produkten war ungewöhnlich hoch. „Der Juni war der beste Monat, den wir je hatten“, weiß er zu berichten, „sogar im November wurde noch fleißig bestellt und gekauft. Eine so lange Saison hat es noch nie gegeben.“ Schwierig wäre es zum Teil gewesen, Ware zu bekommen und die Lieferketten aufrechtzuerhalten – das habe Tag für Tag sehr viel Kraft gekostet.
Christian Rigal von Allroundmarin verzeichnete Zuwächse in ganz bestimmten Bereichen: „Schlauchboote mit Elektro-Außenbordern haben gebrummt, die Fishfinder sind durch die Decke gegangen.“
Von der Tendenz (oder vom Zwang), die Freizeit in der Heimat zu verbringen, profitierte auch Richard Gebetsroither. Sein Hafen am Attersee war extrem nachgefragt, gleiches galt für Service und Winterlager. „Wir könnten leicht doppelt so viele Liegeplätze vergeben, aber die gibt es halt nicht“, seufzt er. Verschärft wurde die Situation durch den niedrigen Wasserstand am Neusiedler See, der viele Eigner an einen Wechsel ins Salzkammergut denken ließ, und das vermehrte Interesse an kleinen Booten, das von Neukunden aus der Region an den Tag gelegt wurde. „Das waren Einheimische, die sich dachten: Lieber geh ich mit meiner Familie aufs Wasser als dass ich mich ins Strandbad lege“, glaubt Gebetsroither.
„Rückbesinnung auf die lokalen Schönheiten“, nennt Paul Schmalzl das Phänomen, das am Wörthersee für kräftigen Aufwind sorgte. Dass jemand wegen der Corona-Krise sein Boot verkaufen musste, habe er nicht erlebt, Krisen-Gewinner hätten aber durchaus zu seinen Neukunden gezählt: „Ein Käufer hat gescherzt: Mein Boot müsste eigentlich Corona heißen …“
Wolfgang Maletschek macht ebenfalls einen Trend zum Boot am See aus und glaubt, dass dieser weiterhin anhalten wird. „Bei den Segelbooten ist die Lage stabil, E-Boote waren heuer der Renner. Ich habe für die kommende Saison doppelt so viele Modelle wie üblich geordert – zum Glück, denn die Werften sind durch die Bank ausverkauft und ich würde jetzt keine Boote mehr bekommen.“
Verkaufshit Motorboot
Eine Einschätzung, die Stefan Frauscher teilt. “Ein Boot steht für Individualität und Freiheit“, glaubt er, „und beides wird derzeit besonders hoch geschätzt.“ Das hat Frauscher Boats heuer nach der „Schockstarre im März“ nicht nur ein gutes, sondern das beste Betriebsergebnis der Firmengeschichte und einen ausgezeichneten Auftragsstand beschert.