Hochgefühl der neuen Art
Wingfoilen ist eine junge Wassersportart, die sich auch auf heimischen Gewässern immer größerer Beliebtheit erfreut. Judith Duller-Mayrhofer hat nach den Gründen für diesen Boom gefragt und am Neusiedler See einen Selbstversuch gewagt
Die Idee ist nicht so neu, wie man meinen möchte. Bereits in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts experimentierten Windsurfer mit einem frei fliegenden Segel, das weder über Leinen noch Mast mit dem Brett verbunden war, durchgesetzt hat sich diese Spielform damals aber nicht. Das Material war schwer und sperrig, das Vergnügen am Waser überschaubar; wozu also. Die aktuelle Variante des Wingfoilens macht hingegen allerorts Furore und dieser Erfolg beruht auf zwei Grundpfeilern. Zum einen wurde die Antriebseinheit federleicht. Der Wing ist ein symmetrisches Segel, dessen formgebenden Teile (Fronttube und Mittelstrut) wie bei einem Kite per Luftpumpe aufgeblasen werden. Die Sportlerin oder der Sportler hält ihn über Griffschlaufen oder eine Stange in Händen; so wird der Wind eingefangen und das Board gesteuert. Zum anderen hat das Foilen Einzug in den Wassersport gehalten und völlig neue Möglichkeiten eröffnet. Dem Wingfoilen verhalf diese Technologie zum entscheidenden Durchbruch. Denn wenn sich das Board auf seinen Tragflügel hebt, nehmen Widerstand und Druck ab, Speed und Spaß hingegen zu.
Tom Böhm, der in Podersdorf seit Jahrzehnten den Shop Upsidedown sowie eine Kite- und Wing-Schule betreibt (www.wingsurfcenter.at), ortet bei der neuen Disziplin wesentliche Vorteile im Vergleich zum Windsurfen oder Kiten. „Man kann ohne Hilfe von außen losfahren und braucht sowohl für die Lagerung daheim als auch am Strand weniger Platz“, nennt er zunächst ganz pragmatische Argumente, „außerdem lässt sich das Material einfacher handhaben und leicht transportieren.“ Und leicht aufbauen: Das Aufpumpen des Wings ist in wenigen Minuten erledigt – mehr gibt es an Vorbereitungsarbeit nicht zu tun. Auch das Risiko, an Land oder am Wasser in eine heikle Situation zu geraten oder sich zu verletzen, ist geringer als beim Kiten oder Windsurfen. Es gibt keine Leinen, die sich verheddern, keinen Schirm, der außer Kontrolle geraten und den Sportler in eine Gefahrenzone ziehen kann, kein Rigg, unter dem man begraben oder gegen das man bei einem Sturz geschleudert wird. Fahrer und Wingsegel sind nicht über ein Trapez, sondern lediglich über eine Leash verbunden, eine relativ lange elastische Kordel, die per Klettband am Handgelenk befestigt wird. Das Loslassen des Wings, ob beabsichtigt oder nicht, gleicht damit dem Drücken der Stopptaste: Alles auf Aus. Eine zweite Leash führt von Fußgelenk oder Taille zum Board – und hier lauert mit den scharfen Kanten des Foils die einzige ernsthafte Gefahrenquelle dieses Sportgeräts. Bertl Böhm, der in der Schule seines Bruders für den Wingfoil-Unterricht zuständig ist, legt Anfängern daher Helm und Prallschutzweste dringend ans Herz. In seinen Kursen ist beides Pflicht, denn: „Kontakt mit dem Foil kann richtig weh tun und sogar böse ausgehen.“
Lernprogramm
Bertl Böhm verzeichnet ein deutlich gestiegenes Interesse an Wingfoil-Kursen und hat alleine im heurigen Frühjahr bereits mehr als zwanzig Schülerinnen und Schüler in die Geheimnisse des Wingfoilens eingeweiht. „Wer Vorerfahrungen aus verwandten Sportarten vorweisen kann, also vom Windsurfen, Kiten oder Skateboarden kommt, hat einen entscheidenden Vorteil“, lautet seine Bilanz, „und wer schon auf einem foilenden Brett gestanden ist, tut sich besonders leicht.“ Josi Schenner, langjähriger Leiter des am Wolfgangsee beheimateten Sportcamps Raudaschl (www.sportraudaschl.at), der gemeinsam mit Böhm den ersten österreichischen Instruktoren-Kurs fürs Wingfoilen absolviert hat, bestätigt diese Einschätzung. „Echte Einsteiger muss man aber behutsam an diese Sportart heranführen“, betont er, „weil so leicht, wie manche glauben, ist es auch wieder nicht.“