Chronik der Verluste

Der Tod von John Fisher, der beim aktuellen Volvo Ocean Race über Bord ging, wirft die Frage auf, wie riskant Regatten um die Welt sind

Chronik der Verluste

Südpazifik, 1.400 Seemeilen westlich von Kap Hoorn, 26. März 2018. Unwirtliches Gewässer bei unwirtlichsten Bedingungen. Grundwind 35 Knoten, Böen deutlich darüber, Wogen so hoch wie ein Haus, Regen- und Graupelschauer. Die VOR-Flotte befindet sich auf dem Weg von Auckland nach Itajai, Brasilien, man schreibt den neunten Tag auf See. Und dann geraten im Morgengrauen an Bord von Team Scallywag die Dinge außer Kontrolle: Patenthalse beim Absurfen einer großen Welle. Als der Baum ins neue Lee schwingt, erfasst das Großschotsystem mit voller Wucht Trimmer John Fisher, reißt ihn mit sich und schleudert ihn in das neun Grad kalte Eismeer. Der 47-jährige gebürtige Brite wollte gerade vom Cockpit aus nach vorne klettern um die Schot eines Vorsegels zu klarieren – und hat deshalb seine Lifeline ausgepickt. Ob er bei Bewusstsein oder ohnmächtig war, als er über Bord ging, ist ungewiss, er trägt jedenfalls einen Überlebensanzug mit Neopren-Kapuze, Handschuhe sowie eine Rettungsweste.

Doch das nützt ihm nichts. Zwar wird eine Markierungsboje mit Seenotsender gesetzt, es dauert aber rund eine Stunde, bis die Scallywag-Crew den VO60-Racer zurück zur Unfallstelle manövrieren kann. John Fisher bleibt trotz einer stundenlangen, vom Maritime Rescue Coordination Center unterstützten Suchaktion unauffindbar und stirbt einen einsamen Tod.

So wie Hans Horrevoets im Nordatlantik zwölf Jahre davor. Der 32-jährige Niederländer hatte als Crewmitglied von ABN Amro 2 am Volvo Ocean Race 2005/06 teilgenommen und wurde in der Etappe, die von New York nach Portsmouth führte, von einer Welle über Bord gespült; er trug weder Lifebelt noch Rettungsweste. Horrevoets bediente zu diesem Zeitpunkt die Spinnakerschoten, es war zwei Uhr nachts und der zuvor mäßige Wind hatte plötzlich auf 30 Knoten aufgefrischt. Auch in diesem Fall wurde eine Signalboje ausgebracht, die Mannschaft unter Skipper Sebastien Josse, die für die Rückkehr rund 50 Minuten benötigte, fand den Verunglückten, konnte ihn aber nur noch tot bergen.

Keine Lifeline, keine Rettungsweste – das hätte auch Alex Gough zum Verhängnis werden können. Der 24-jährige Australier, der wie Fisher zum Scallywag-Team gehört, ging im aktuellen VOR auf Etappe 4 (Melbourne–Hongkong) über Bord. Er kam mit dem Schrecken davon: Bei Sonnenschein, guter Sicht und 18 Knoten Wind wurde er nach sieben Minuten von seinen Kollegen aus dem Chinesischen Meer gefischt. Skipper David Witt kommentierte den Vorfall so: „Das war eine ernste Sache und hätte auch anders ausgehen können.“ Wie viel ernster es noch kommen würde, war damals nicht zu ahnen …

Ist das Volvo Ocean Race, das sich das Motto „Life at the Extreme“ auf die Fahnen geschrieben hat und als härteste Regatta der Welt gilt, also eine lebensgefährliche Veranstaltung? Den nüchternen Zahlen nach nicht: In der 45-jährigen Geschichte des Rennens gab es insgesamt über 2.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wobei inklusive John Fisher sechs Segler ihr Leben auf See verloren. Die Hälfte starb bei der Premiere 1973/74, die unter Whitbread firmierte, damals waren drei Männer, die zu unterschiedlichen Teams gehörten, jeweils in der zweite Etappe von Kapstadt nach Sydney über Bord gegangen und ertrunken. Opfer Nummer vier war Tony Philips, der 1989 nach einem Sonnenschuss gemeinsam mit einem weiteren Crewmitglied in die See gespült wurde. Der Kollege überlebte, Philips konnte nur noch tot geborgen werden. Sechs Tote, das sind fraglos sechs zu viel – verglichen mit anderen Extrem-Sportbewerben, etwa der Ralley Dakar, aber relativ wenig.

Hobby-Segler in Gefahr

Als härteste Amateur-Regatta der Welt wird das von Sir Robin Knox-Johnston erfundene Clipper Round The World Race bezeichnet. Es findet seit 1995 alle zwei Jahre statt, gesegelt wird in Etappen und auf baugleichen Yachten, der Skipper ist Vollprofi, die Crew besteht aus zahlenden „Gästen“. Diese können wahlweise die komplette Runde oder eine bzw. mehrere Teilstrecken buchen und müssen ein intensives Vorbereitungsprogramm absolvieren. Über ein Jahrzehnt blieb die Veranstaltung von letalen Zwischenfällen verschont, dann gab es innerhalb von zwei Jahren gleich drei Tote zu beklagen.

Die gesamte Stroy lesen Sie in der Yachtrevue 5/2018, am Kisok ab 2. Mai!

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