Amel 60
Die französische Edelwerft baut handverlesene Yachten, gewinnt bei der Wahl zu Europas Yacht des Jahres aber wie am Fließband
Henri Amel hat mit seiner speziellen Yachtbau-Philosophie der gleichnamigen Marke zu weltweiter Berühmtheit verholfen. Maramu und Super Maramu stehen in der Blauwasserszene bis heute hoch im Kurs, die Eckpfeiler des Erfolgs heißen Sicherheit, Komfort, Qualität, Ketschtakelung sowie ein unvergleichliches After-sales-Service. 2005 starb der „Cap’taine“ im Alter von 92 Jahren, der Wert der Marke wurde aber sorgsam weitergepflegt. Emmanuel Poujade leitete mit Amel 64 und 55 einen sanften Modernisierungsprozess ein, ohne dabei auf die traditionelle Ketschtakelung zu verzichten. Der Wechsel zur Sluptakelung, ein ebenso radikaler wie erfolgreicher Schritt, erfolgte erst 2017, bei der nächsten Generation und in Gestalt der Amel 50, für die Olivier Racoupeau den Rumpf zeichnete. Treu blieb man Mittelcockpit und Deckshaus, Elemente, die maßgeblich für die typische Amel-Silhouette verantwortlich sind. Die Amel 50 qualifizierte sich für das Finale der Wahl zu Europas Yachten des Jahres, holte 2018 den Sieg in der Kategorie Luxusyachten und verkaufte sich bislang rund 50 Mal. Eine Siegerin auf allen Linien.
Der nächste Schritt
So war es nur konsequent, eine Amel 60 auf den Markt zu bringen. Die Stoßrichtung war klar. Racoupeau konstruierte einen Rumpf, der mit jenem der 50er durchaus vergleichbar ist: steiler Bugsteven, viel Volumen im Vorschiff, breites Heck. Zwei Ruderblätter sorgen speziell bei Starkwind für einen ausgewogenen Geradeauslauf an der Kreuz und punkten durch ihren geringen Tiefgang, ein für Blauwasseryachten wichtiger Aspekt. Beispielhaft für das Sicherheitsdenken der Werft ist die Ruderanlage: Sie befindet sich in einem wasserdicht abgeschotteten Bereich im Heck, wohin auch die Ruderwellen führen. Verliert man infolge einer Kollision ein Blatt, ist das nicht tragisch: Das Boot bleibt dank zweitem Ruder manövrierbar und ein möglicher Wassereintritt locker beherrschbar. Sicherheit hat bei Amel nach wie vor oberste Priorität, das unterstreichen die insgesamt sieben weiteren wasserdichten Bereiche.
Im Gegensatz zur Vorgängerin Amel 64 hat man auf eine Dingi-Garage verzichtet, da diese zu viel wertvollen Stau- und Lebensraum verbraucht. Stattdessen setzt man auf Davits und generiert damit eine Reihe von Vorteilen: Das Beiboot lässt sich leicht zu Wasser lassen, hinter der Badeplattform gibt es einen riesigen Stauraum und die Eignerkajüte ist in Sachen Platz nicht beeinträchtigt.
Konzeptionell gesehen ist die Amel 60 eine verlängerte 50er, subjektiv spielt sie jedoch in einer anderen Liga. So wurden die Gediegenheit und Wohnlichkeit des Innenraums bis in das Deckshaus transferiert: Die Bereiche beidseits des Niedergangs bestehen aus Holz, die Sitze im Cockpit haben die Qualität einer Wohnzimmergarnitur und der stabile Niroklapptisch mit Massivholzplatte und Getränkehalterung könnte eleganter nicht sein. Für entsprechende Belüftung sorgen Schiebedach, zwei Luken im Kajütdach und die mittlere Windschutzscheibe, die sich öffnen lässt. Bei sehr unwirtlichen Verhältnissen kann man das Deckshaus mit einer textilen Verkleidung spritzwasserfest abschotten, bei Schönwetter den Bereich hinter dem Cockpit zu einer luxuriösen Sonnenterasse mit zwei gepolsterten Doppelliegen umgestalten. Wird es dort im Windschatten des Deckshauses zu heiß, wechselt man eben auf die Sonnenliege am Vorschiff. Auch Luxusprobleme wollen gelöst werden …
Einfach gut
Bei der Konzeption des Riggs hat man großen Wert auf einfaches Handling gelegt. Tatsächlich kann die Amel 60 problemlos von einer Person gesegelt werden, wobei dieser eine Armada an stillen Helferleins zur Verfügung steht. Das Rollgroß wird elektrisch in den serienmäßigen Karbonmast gerollt, auch Genua, das optionale Kutterstagsegel, Code 0 und Rollgennaker ließen sich am Testschiff sich per Joystick bedienen.