Katastrophe auf Pump
Kolumne Jürgen Preusser: Ist das Häusl die Schwachstelle einer Yacht oder sein Benutzer?
Das stille Örtchen einer Yacht hat das Attribut „still“ nur sehr bedingt verdient: Mpfff jiii mpfff jiii mpfff jiii mpfff jiii mpfff jiii mpfff jiii mpfff jiii mpfff jiii mpfff jiii mpfff jiii – das ist alles andere als still.
Übrigens ja, Sie haben richtig gezählt. Das waren genau jene zehn Pumpmanöver, die in der Gebrauchsanweisung empfohlen werden. Davor gehört der weiße Hebel nach links gelegt, wie der weitsichtigkeitsgerechten Zeichnung an der Innenseite der Tür zu entnehmen ist. Klopapier ist sorgfältig zusammengeknüllt in den Kübel zu werfen, in diesem befindet sich natürlich ein kleines Mistsackerl, das unmittelbar nach dem nächsten Anlegemanöver artgerecht entsorgt wird. Am Ende der Prozedur ist der weiße Hebel wieder nach rechts zu legen. Sofern es Seegang, Krängung und Witterung zulassen, sollte auch gelüftet werden. Das Öffnen der Luke ist der Deckscrew mitzuteilen. Bei Leichtwind ist es denkbar, dass diese Information geruchsbedingt überflüssig ist. Wer noch ein Tröpferl Öl (aber bitte nicht das sauteure, kaltgepresste Olivenöl!) auf den quietschenden Schaft des Hebels träufelt, ist überhaupt ein Musterschüler. Soweit die Theorie.
Jetzt zur Realität: Wer seinen Darm entleeren muss ohne festen Boden unter den Füßen zu haben, ist grundsätzlich Opfer und Täter in Personalunion und wird daher im nun folgenden Worst-Case-Scenario als OT bezeichnet.
OT betritt den stillen Ort prinzipiell geräuschvoll, weil er über den durch Wellengang enthaupteten Mistkübel stolpert. Selbstverständlich wollte der Vorgänger ein Plastiksackerl in den Kübel geben, wurde aber von einer wichtigeren Tätigkeit davon abgehalten.
Weil der OT das Anbehalten des Ölzeugs als unersetzliche Herausforderung des Häuslgangs empfindet, ist er auch nicht in der Lage den Mistkübel wieder aufzurichten. Als weiterer grober Fehler erweist sich das Ausziehen der Stiefel. Denn der Inhalt des zerwürfelten Kübels hat sich am Boden in ein hin- und herschwappendes Schaumbad verwandelt, dessen Farbe mit etwas Nachsicht gerade noch als weiß einzustufen ist.
OT versucht sich nun in der Nasszelle aus dem Ölzeug zu schälen, wird dabei aber von der sich öffnenden Tür an die Seitenwand gepresst – ein zweiter OT empfindet ausgerechnet zur selben Zeit den Drang das selbe Klo zu benützen. Dabei gibt es vier Toiletten an Bord. Unter uns: Zwei große anstelle der vier kümmerlichen würden locker reichen. Wenn es Menschen sieben Tage lang miteinander auf einem Schiff aushalten wollen, sollten sie doch wohl zu viert ein Klo benützen können. Ohne Kriegserklärung. Und hintereinander natürlich.
Weiter im realen Albtraum: Der von der Häusltür aus der Bahn geworfene OT1 trifft exakt mit der Stirn die Kante der vom Vorgänger trotz Seegangs nicht geschlossenen Luke. Mit dem nur noch zur Hälfte im Ölzeug steckenden Gesäß drückt er die Tür wieder zu. Sein verhaltener Fluch wird von den Schmerzensschreien des OT2 übertönt, dessen Daumen zwischen Tür und Angel eingezwickt wurde.
Endlich, OT1 sitzt. Seine Socken sind nass und er versucht mittels akrobatischer Verrenkungen den Bodenschlamm von der Ölzeug-Hose fern zu halten. Beim zum Abschluss eingeleiteten Pumpvorgang erscheint dem inzwischen an Klaustrophobie und Seekrankheit leidenden OT1 die richtige Hebelstellung als Lappalie. Auch wird drei statt zehn Mal „Mpfff jiii“ wohl reichen.
Diese Vernachlässigung der Sorgfalt erhöht das Katastrophen-Potenzial für OT2, der gerade winselnd seinen gequetschten Daumen unter fließendem Abwaschwasser in der Pantry zu kühlen versucht. Genau jetzt geht der erste Wassertank stotternd und rülpsend zur Neige. Umgehend wird der noch immer in der Toilette weilende, völlig erschöpfte OT1 aufgefordert, den gut versteckten Hebel umzulegen um den zweiten Wassertank zu aktivieren.
Jetzt endlich werden seine Schimpftiraden auch für die Deckscrew hörbar. Ein Teilerfolg.