Do You Speak Wienglish?
Kolumne Jürgen Preusser: Ausländisch ist eine verdammt schwierige Sprache
Dahoam neigt der Österreicher dazu, jede Frage eines Touristen in jener Sprache zu beantworten, die er für perfektes Englisch hält. Der gemeine Wiener ist in dieser Hinsicht ein ganz spezielles Exemplar: „There across, right next to the Votiv church!” Wobei das „Th“ wie das „S“ in „Sierra Madre“ von den Zillertaler Schürzenjägern klingt. Es kann aber vorkommen, dass der Tourist aus Wanne-Eickel oder Castrop-Rauxel stammt und daher eine deutsche Antwort bevorzugt hätte.
Der Österreicher im Ausland wehrt sich hingegen standhaft gegen die Verwendung der jeweils gültigen Landessprache. Er bedient sich oft einer Melange aus dem oben beschriebenen „Wienglish“ und einer Art Baby-Geplapper: „Du kennen a good place for Ham Ham?“
In der Türkei läuft man anlässlich einer solchen Frage Gefahr, von einem Vetter des Auskunftsgebers, der zufällig Taxi-Unternehmer ist, ins nächstbeste Hamm?m entführt zu werden. Ist aber kein Problem, weil ein Vetter des Dampfbad-Besitzers das beste Restaurant der Stadt führt. Beschämend ist es hingegen, wenn der Türke auf die Ham-Ham-Frage wie folgt antwortet: „Sie meinen, ob ich ein Restaurant kenne, in dem Sie zu angemessenen Preisen vorzüglich essen können und das außerdem leicht erreichbar ist?“ Die passende Antwort auf diese Gegenfrage ist nur sehr bedingt „Yes“. Auch „Bla-bla gut!“ eignet sich eher nicht.
Es ist peinlich genug, wenn mir vor dem vierzigsten Kroatien-Törn an der Autobahn-Mautstelle wieder ein „Thank you, dobar dan“ entfleucht, weil mir „hvala“ für „danke“ erst einfällt, wenn ich es in der Marina höre. Doch ich halte mich wenigstens für unhöflich und respektlos, weil ich noch immer keinen ganzen Satz herausbringe.
Szenenwechsel: Neulich in einer kleinen griechischen Taverne. Am Nebentisch diskutiert eine gemischte Crew aus Niederösterreichern und Bayern über die Eigenheiten der Mittelmeer-Anrainer, dabei wird kein Klischee ausgelassen.
„Der Franzose ist arrogant!“
Zugegeben, es gibt ihn, den arroganten Franzosen. Wird er mit „Bonjour, Mister!“ begrüßt (wie neulich auf Korsika vernommen), dann hat er auch ein gewisses Recht darauf. Ein „Sorry, Monsieur!“ trägt übrigens nur unwesentlich zur Entspannung bei. Würde mich ein Tourist in Wien mit „Servas, gospodine!“ (kroatisch: „…mein Herr“) begrüßen, wäre ich auch nicht entzückt.
„Der Grieche“, so die Reinkarnation von Franz Josef Strauß am Nebentisch, „der Grieche ist schlampig, raucht beim Kochen und zahlt keine Steuern!“
Zugegeben: Der Punkt mit den Steuern ist nicht völlig aus der Luft gegriffen. „Wenn der Steuereintreiber in Athen auf die Fähre steigt“, erzählt Lokalbesitzer Nikos Taxanixis (Name von der Redaktion frei erfunden), „wissen wir das zwei Minuten später.“ Seine Küche ist steril wie seine Kreativ-Buchhaltung. Er, seine Mutter, seine beiden Schwestern und die Tochter sind Nichtraucher. Gut, Letztere ist erst sieben. Und die Gäste sind Nettozahler.
„Der Kroate“, so ein fülliger Niederösterreicher, der sich für sein gelungenes Buganker-Manöver nach dem Souvlaki nun mit einer Goldbrasse belohnt (vermutlich ist er aus Fisch am End), „der Kroate ist unhöflich und kennt kein Bitte und kein Danke!“
Zugegeben: Nicht jeder Kroate sprudelt über vor Latino-Charme. Es mag aber auch daran liegen, dass er statt „bitte“ und „danke“ „molim“ und „hvala“ sagt. Die polyglotte Bitte „Bill molimo“ (Die Rechnung, bitte) zieht automatisch eine Runde Travarica nach sich. Ist das unhöflich? Nun ja. In Einzelfällen kann das Kredenzen von diesem Kräuterschnaps durchaus als Rausschmiss gewertet werden.
Auch Nikos fährt zum Abschluss eine Runde auf. Ouzo für alle, obwohl „El conto, please!“ von eingeschränkter geografischer Treffsicherheit zeugt. Nikos spricht phasenweise besser Deutsch als der Bayer, definitiv aber besser Griechisch. Beim Abgang sagt die Strauß-Reinkarnation: „Kane Lichta!“ Sollte wohl„kalinichta“ heißen, also „gute Nacht“. Da es draußen des Nachts finster ist, klingt „Kane Lichta“ aber zumindest irgendwie einleuchtend.