Ohne Netz und doppelten Boden
Mai 2013: Die private Monatsbilanz von Verena Diethelm
Höhenluft. Wie hoch ist der Mast einer Bavaria 45? Verdammt hoch. Da wird die Luft ziemlich dünn. Zumindest kommt es mir so vor, als ich mich keuchend zwischen Want und Vorstag verspanne. Verspannt trifft es gut. Am Vortag habe ich, die als Kind im Freibad stets unerschrocken auf den Zehnmeterturm geklettert ist, noch locker verkündet, dass es doch kein Problem sein kann sich 18 Meter raufkurbeln zu lassen, jetzt bin ich maximal unlocker.
Seiltanz. Unter meinen Füßen ist – nichts. In unerreichbarer Ferne glänzt die zweite Saling, die mir davor den psychologisch so wichtigen Halt gegeben hat. Wie ein nasser Sack hänge ich an zwei Seilen, die bei jeder Bewegung verdächtig knarzen und knirschen. Die 14-Meter-Yacht schaukelt unter mir wie eine Nussschale. Jeder Gasstoß, jede Richtungsänderung kommt bei mir mit unglaublichem Hebel an. Zeit, mir einzugestehen, dass ich an akuter Akrophobie leide. Klingt nicht ganz so lächerlich wie Höhenangst.
Akrobatik. Versuche mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren: Ich soll Fotos von den Anlegemanövern schießen. In perfekter Schärfe und ohne meine Beine, so lauteten die Anweisungen vom Chef. Geht aber nicht. So sehr ich mich auch winde, meine Haxn sind irgendwie immer auf dem Bild.
Kapitulation. Ein besonders kräftiger Windstoß rüttelt am Rigg und weht mir die Haube vom Kopf. Jetzt reicht’s. Ich will runter. Sofort.