Verzögerungstaktik
Jänner 2017: Die private Monatsbilanz von Verena Diethelm
Habe versucht, das Unvermeidliche so lange wie möglich hinauszuschieben und fahre mein Boot am letztmöglichen Termin Richtung Winterlager. Dichte Nebelsuppe, Nieselregen, null Wind. So hab ich mir das nicht vorgestellt. Eine Woche später hängt das Boot im Schneesturm am Haken und ich buchstäblich in den Seilen. Habe mir eingebildet, Mitte November eine Regatta in der Adria zu segeln. Nicht nur Neptun stellt mich auf eine harte Prüfung, dürfte es mir auch mit Fortuna verscherzt haben. Kommen zu spät zum Start, wickeln das Gennakerfall um das Vorstag, zerreißen das Großsegel, was das Reffen erschwert, und fabrizieren in Folge den einen oder anderen Sonnenschuss. Boot benimmt sich wie bockiger Stier, wirft mich ab und ich lande im Wasser. Mein Handy gibt ob dieser rauen Behandlung den Geist auf, etwa zur gleichen Zeit springt in der Heimat mein sündteurer Windsensor beim Legen des Masts in den Neusiedler See und verschwindet für immer. Ganz schön teuer erkauft, diese Saisonverlängerung. Beschließe mich meinem Schicksal zu fügen: Werde mich den ganzen Winter nicht mehr aus der warmen Stube bewegen, vom Sommer träumen und mit dem Spleißen beginnen.
Eine allerletzte Chance gebe ich der verhassten Jahreszeit noch. Nehme mir ein Beispiel an den skiverrückten Redaktionskollegen und schnappe das Snowboard. Rauf geht’s auf den Berg. Sonnenschein, blauer Himmel, frühlingshafte Temperaturen, kaum Schnee, die Speicherteiche so gut wie eisfrei. Herrlich, so mag ich Winter. Jetzt muss ich nur noch mein Boot hierher bekommen.