Atemlos über den See
Der Strandkatamaran Patin a Vela besitzt keine Ruder und wird nur über die Verlagerung des Körpergewichts gesteuert. In Katalonien ist er weit verbreitet, hierzulande gibt es nur einen seiner Art. Judith Duller-Mayrhofer durfte ihn unter Anleitung seines Besitzers segeln
Der einzige Patin a Vela Österreichs steht am Gelände des UYC Neusiedlersee und wurde 2018 von Norbert Petschel aus Spanien mitgebracht. Der Wiener, der 1984 und 1988 im Tornado an den Olympischen Spielen teilgenommen und als Berater von Thomas Zajac und Tanja Frank wesentlichen Anteil an der seglerischen Entwicklung der Bronzemedaillen-Gewinner von Rio hatte, lernte die ungewöhnlichen Bootsklasse in Palamos kennen und war vom Konzept dieses Katamarans so fasziniert, dass er ein gebrauchtes Modell erwarb – ohne jemals auf einem gesessen zu sein, wohlgemerkt. Dennoch waren schon seine ersten Ausfahrten, die er zu Ostern (und sicherheitshalber in Begleitung eines E-Bootes) am Neusiedler See unternahm, ein Erfolg. „Ich habe mich im Vorfeld sehr intensiv mit erfahrenen spanischen Patin-Seglern ausgetauscht und die Theorie dahinter studiert“, erzählt Petschel. „Letztlich hat alles genau so geklappt, wie ich mir das vorgestellt habe.“
Das ist insofern erstaunlich, als dem Patin a Vela (frei übersetzt: besegelte Kufe) etwas Entscheidendes fehlt: Der 5,60 Meter lange, schwertlose Kat hat keine wie immer geartete Ruderanlage, sondern wird ausschließlich mit Hilfe des Masttrimms sowie durch die Verlagerung des Körpergewichts gesteuert. Rutscht der Segler oder die Seglerin nach vor, luvt das Boot mit seinen beiden V-förmigen, unten abgeflachten Rümpfen an, rutscht man nach achtern, fällt es ab. Das hat mir der Verschiebung des Lateraldruckpunkts bzw. mit dem Verhältnis von Lateral- zu Segeldruckpunkt zu tun – wer sich an den Theorieteil vom Grundkurs erinnert, dem dämmert möglicherweise etwas …
In der Praxis gilt es zunächst, für den jeweiligen Kurs sowie für die herrschenden Wind- und Wellenbedingungen die optimale Mastposition zu finden, wobei optimal bedeutet, dass der Patin bei neutraler Position des Steuermanns ausgewogen geradeaus läuft. Trimmen lässt sich der schlanke, flexible, nach oben verjüngte Mast, der beweglich auf einem Metalldorn sitzt, über ein ebenso eigenwilliges, wie ausgefeiltes System aus Verstagungen und Wanten; sämtliche Leinen, die es zu dessen Bedienung braucht, sind in die Reichweite des Steuermanns umgelenkt. Einen Großbaum gibt es nicht, das Segel ist ein schlichtes, lattenloses, 12,6 m2 großes Dreieck mit langem, fliegendem Unterliek, das an eine Genua erinnert. Die Großschot setzt an dessen Schothorn an, läuft zu einer leicht gewölbten Travellerschiene, die sich von Heckkante zu Heckkante spannt, und weiter zu einem mittig platzierten Block. „Schotzug und Sitzposition beeinflussen den Kurs“, erklärt Petschel, „unter Umständen reichen schon minimale Bewegungen, etwa die Neigung des Kopfs, um die Richtung zu verändern.“ Alles in allem sei das Steuern aber einfacher als man glaube, versichert der topfitte 60-Jährige: „Natürlich ist das kein Anfängerboot, aber wer segeln kann, vermag auch einen Patin zu pilotieren!“
Balanceakt ohne Netz
Der Praxistest am Wasser bestätigt seine Einschätzung: Mit dem von Petschel vorab gut eingestelltem Rigg bin ich nach kurzer Eingewöhnungsphase – zumindest bei moderatem Wind – tatsächlich in der Lage, Kurs zu halten bzw. nach Wunsch anzuluven und abzufallen. Auf die Notwendigkeit eines raschen Richtungswechsels möchte ich es lieber nicht ankommen lassen, aber es stellt sich bald das Gefühl ein, das Ding halbwegs unter Kontrolle zu haben.
In eine andere Kategorie fallen die Manöver. Um eine Wende einzuleiten, muss ich erst einmal mit dichtgenommener Schot am Luvschwimmer bis zum Mast laufen; dass es zwischen den Rümpfen kein Netz, nur vier schmale Querplanken gibt, erhöht die Spannung. Durch die Gewichtsverlagerung kommt das Heck aus dem Wasser, der Kat luvt an und stellt sich in den Wind. Nun lehnt man sich im neuen Lee mit aller Kraft rücklings ins Segel, erzeugt damit im vorderen Bereich ein verkehrtes Profil – vergleichbar mit einer Fock, die back gehalten wird – und wandert gleichzeitig in Trippelschritten zurück nach achtern. Der Bug hebt sich aus dem Wasser, der Patin fällt ab und geht auf den neuen Kurs. Indes bückt sich die Steuerfrau, taucht unter dem Segel durch (die Lücke zwischen Unterliek und Deck ist je nach Masttrimm 20 bis 30 cm hoch) und nimmt auf der neuen Luv-Seite seine Sitzposition ein. Wende erledigt. Auch das bekommt die fachkundig angeleitete Anfängerin nach einigen Übungsdurchgängen hin, wenn auch nicht sonderlich elegant und flüssig.