Ambitionierte Pläne
Nach dem neuerlichen Scheitern seines Projekts AntArcticLab im vergangenen August ist es ruhig um Norbert Sedlacek geworden. Judith Duller-Mayrhofer hat ihn in Frankreich besucht und zu seinen Perspektiven befragt
Brem sur mer also. Ein verschlafenes Dorf am Rande der Marais, wie das naturbelassene Sumpfgebiet nördlich von Les Sables d’Olonne genannt wird. Salzwiesen und Fischzuchtanlagen wechseln einander mit freien Wasserflächen ab, zum Meer und zu den Dünen hin ist das Areal von struppigen Strandkiefern, Akazien und Steineichen begrenzt. Paradies für Vogelkundler, Ruheplatz für erholungssuchende Urlauber – und Wohnort von Norbert Koch-Sedlacek und seiner Frau Marion. Auf einem weitläufigen, verwilderten Grundstück hat das Paar mit eigener Hände Arbeit ein mächtiges, zweigeschossiges Haus hochgezogen. An den unverputzten Wänden ranken Kletterpflanzen, an der Sonnenseite stehen Kakteen dicht an dicht in bunt zusammengewürfelten Töpfen. Der überwiegende Teil des Gebäudes ist eine anarchisch wirkende Baustelle, nur ein kleiner Trakt im herkömmlichen Sinn bewohnbar. Wer zu Besuch kommt, wird zuerst durch den Garten geführt, in dem Zucchini, Tomaten und Kräuter wuchern, dann in die kleine Wohnküche gebeten. Das Haus sei ein Langzeitprojekt, erklärt Sedlacek wortreich, und werde nach Maßgabe der verfügbaren zeitlichen und sonstigen Ressourcen Schritt für Schritt fertig gestellt.
Womit wir irgendwie beim Thema sind. Denn Norbert Sedlacek hat ein Faible für Projekte. 2000/01 umsegelte er unter dem Titel „Icelimit“ als erster Österreicher nonstop die Arktis, 2004 nahm er ebenfalls als erster Österreicher an der Vendée Globe teil, 2009 beendet er ebendieses Rennen als erster und einziger deutschsprachiger Teilnehmer. Anderen Unternehmungen war kein gutes Ende beschieden. Seine Atlantik-Überquerung auf der 4,90 Meter langen Fipofix musste abgebrochen werden (wurde aber später von seinem Sohn Harald realisiert) und auch mit seinem jüngsten Rekordversuch „AntArcticLab“, der ihn solo und nonstop über 32.000 Meilen und beide Polrouten um den Globus hätte führen sollte, kam Sedlacek buchstäblich nicht vom Fleck. Wir erinnern uns: Vier mal machte sich der gebürtige Wiener auf dem Open60AAL Innovation Yachts von Les Sables d’Olonne aus auf den Weg, kehrte aber jeweils aufgrund technischer Probleme nach wenigen Tagen um. Seinen bislang letzten Versuch startete er am 15. August 2022, am 17. August informierte er sein Team, dass sein Steuersystem irreparabel beschädigt und ein Weitersegeln unmöglich sei.
Mit der Extrem-Expedition – die übrigens als so unkalkulierbar eingeschätzt wurde, dass sich keine Versicherung für die Yacht abschließen ließ – wollte Sedlacek eigentlich die innovative, recycelbare Vulkanfaser, die für den Bau der Innovation Yachts genutzt worden war, unter Beweis stellen. Dass ihm das verwehrt blieb, wäre ärgerlich, aber nicht existenzbedrohend. „Beim vierten Mal hast du schon Übung im Scheitern“, lächelt er schief. „Ich habe abgewogen: Soll ich riskieren, dass mir im hohen Norden das Ruder davonfliegt? Oder diesen Schaden als Teil der Entwicklungsarbeit einstufen?“ Mit zunehmendem Alter würde man anders bewerten und entscheiden, gibt er zu; dass er 2021 mit einer (glücklicherweise gut behandelbaren) Krebs-Erkrankung konfrontiert war, könnte – bewusst oder unbewusst – die persönlichen Prioritäten ebenfalls beeinflusst haben.
Zwei Seiten, eine Medaille
Wie auch immer. Schlecht ist, dass es nun weder die geplante Positiv-PR für die Vulkanfaser noch die bereits auf Schiene gelegte Abenteuer-Nachbearbeitung in Form von Buch, Show oder Messeauftritt geben wird. „Bei so einer Sache bist du entweder Hero oder Zero, einen Mittelweg gibt es nicht“, macht sich Sedlacek nichts vor. Gut ist, dass Sedlacek heil nach Hause kam, seine Geschäftsbeziehungen von diesem neuerlichen Rückschlag unbeeinträchtigt blieben und man ihn in seiner Wahlheimat Les Sables nach wie vor schätzt.