Leichter Leben
Die Nördlichen Sporaden locken mit ruhigen Buchten und authentischem Flair, als Einstimmung auf einen Törn durch diese Inselgruppe empfiehlt Judith Duller-Mayrhofer eine Aufwärmrunde im Golf von Volos
Wir mögen Griechenland und wir mögen die Griechen. Ihre unaufdringliche Freundlichkeit, mit der sie Urlauber als Gäste willkommen heißen, ihren entspannten Lebensstil, ihren gelassenen Umgang mit kleineren und größeren Problemen. Ganz besonders mögen wir die Nördlichen Sporaden. Die rund 300 Kilometer nördlich von Athen gelegene Inselgruppe ist nicht nur vergleichsweise ursprünglich und untouristisch, sondern vor allem ein famoses Segelrevier. Es gibt zahlreiche wunderschöne Ankerbuchten, die Distanzen zwischen lohnenswerten Zielen sind kurz, die Windbedingungen prächtig, mit verlässlichem, aber nicht zu starkem Meltemi und weniger Wellengang als in der rauen südlichen Ägäis (siehe auch Wetter-Kasten). Bei unseren bisherigen Besuchen, die stets zu unserer größten Zufriedenheit verliefen, waren wir immer in Achilleion gestartet und von dort schnurstracks in den attraktiven Archipel gesegelt; in den Golf von Volos, auch Pagasäischer Golf genannt, hatten wir lediglich einen Blick geworfen, ihn aber nie genauer erkundet.
Das soll sich nun ändern, denn diesmal übernehmen wir unsere Yacht in Volos, der viertgrößten Hafenstadt Griechenlands, die sich im Scheitel des Golfes breit macht, und wollen uns bewusst Zeit für ebendiesen nehmen. Er wird im Osten von der sichelförmigen Halbinsel Pilion und ihren bis zu 1.600 Meter hohen Bergrücken sowohl begrenzt als auch abgeschirmt und gilt als familienfreundliches Leichtwindrevier. Mal sehen, ob diese Zuschreibung zutrifft.
Gemütlich durch den Golf
Rundum sanfte grüne Hügel, hie und da kleine Ansiedlungen oder einzelne, versprengte Häuschen, eine laue Brise – fast fühlen wir uns wie auf einem Alpensee. Gestern sind wir spätabends mit dem Direktflug aus Wien in Volos angekommen, heute haben wir das Schiff übernommen, den Einkauf erledigt und zur Mittagszeit voller Vorfreude die Leinen gelöst. Maximal zehn Knoten Wind bewegen unsere Divine, eine Bavaria Cruiser 46, unter wolkenlosem Himmel stressfrei über das Wasser und bringen uns flugs in Urlaubsstimmung. Als Tagesziel haben wir Kottes auserkoren, ein winziges Fischerdorf auf der Halbinsel Trikeri, dem schroffen Endzipfel des Pilions. Es gibt eine Mole, an der wir längsseits anlegen können, und kaum ist die Divine sicher vertäut, springen wir juchzend ins glasklare, ideal temperierte Wasser. Das erste Bad im Meer nach einem langen, mühsamen Winter, das tut Kopf und Körper wohl. Wohltuend ist auch die Atmosphäre in der Taverne Tseta, in der wir uns für das Abendessen niederlassen. Ein alter Fischer schuppt am Ufer den Fang des Tages, eine dreifarbige Glückskatze umstreicht schnurrend seine Beine und hofft auf einen Leckerbissen, der Wirt fragt freundlich nach unseren Wünschen. Wir ordern griechischen Salat, Tsatsiki und – nach sorgfältiger Begutachtung der Ware – eine mächtige Zahnbrasse. Der dazu gereichte Erdäpfelsalat ist mit frischen Kräutern verfeinert, das in gefrosteten Gläsern servierte Bier eiskalt, die Laune der Crew bestens. Als einzige andere Yacht in dieser Idylle hat eine betagte Grand Soleil 50 unter rot-weiß-roter Flagge und mit Wiener Bootskennzeichen an der Bordwand unter Buganker an der Mole festgemacht. Der Eigner, der uns unschwer als Landsleute identifizieren kann, spricht uns an und hat ein paar gute Tipps für die nächsten Tage auf Lager. Er kennt hier jeden Winkel, lebt er doch von Mai bis Oktober auf seinem Schiff. Kein schlechtes Konzept, muss man sagen. Diese am ersten Tag angeschlagene, ruhige Tonart bleibt Leitmotiv für unsere Zeit im Golf. Wir stromern mal hierhin und dahin, folgen dem Rhythmus des Windes und unseren Bedürfnissen. Die kleine, unbewohnte Felseninsel Parasouda eignet sich perfekt für einen Badestopp. Wir ankern davor auf zehn Meter in türkisblauem Wasser, die einen schwimmen an Land und bestaunen eine byzantinische Kirche aus dem 11. Jahrhundert, um die sich zahlreiche, zum Teil gruselige Legenden ranken, die anderen strecken sich an Bord lang und genießen eine Zuckermelone, die süßer und saftiger nicht sein könnte.
In dem kleinen Hafen an der Südküste von Paleo Trikeri, einem autofreien Eiland, das der Halbinsel Trikeri vorgelagert ist, liegen wir mit Buganker am Kopf der Mole. Die obligatorische ausgedehnte Inselwanderung führt uns zum Kloster Panaghia Evangelistria, dessen Tore weit offen stehen. Wir schlendern durch den Innenhof und bewundern die üppige Blütenpracht der Bougainvilleen und Geranien, andere Touristen oder gar Mönche sind nicht zu sehen, lediglich eine ganz in Schwarz gekleidete Frau sitzt strickend im Schatten der alten Gemäuer und würdigt uns keines Blickes. Dem Weg weiter folgend, kommen wir zu einer kleinen Kapelle, die auf einer Bergnase hoch über dem Meer klebt. Neben der Apsis finden wir unter einem Granatapfelbaum ein Grab mit Marmorengel und schlichtem Holzkreuz, das in goldenen Lettern die Aufschrift „Albrecht Schindler, 1939–1975“ trägt. Welche Geschichte wohl dahinter stecken mag? Früher wäre diese Frage schwebend geblieben, heute wird gegoogelt und tatsächlich eine Antwort gefunden.
Nordwestlich von Paleo Trikeri liegt das Inselchen Pithou. Die Ankerbucht an seiner Südseite wurde uns wärmstens empfohlen und ist tatsächlich einen Abstecher wert. Sie dient einer großen Möwen-Kolonie als Brutplatz und so wird der Besucher von einem vielstimmigen Gekreische und Geflattere empfangen, das die einen sorgenvoll an Hitchcock, die anderen freudig an eine Universum-Doku erinnert. Eindeutig fällt das Urteil aus, als zwei Yachten einlaufen und deren Besatzung, mit glitzernden Partyhüten bewehrt, die Musikboxen dröhnen lässt: Danke, das brauchen wir nicht, Anker auf und ab in die nächste Bucht. Zum Glück ist die Auswahl groß und bald haben wir wieder unsere heilige Ruhe.
Besonders sympathisch finden wir das Fischerdorf Agia Kiriaki am Eingang zum Golf, wo wir, natürlich wieder mit Buganker, an der Mole vor dem Lokal Manolas Platz finden.