First 36
Die slowenische Seascape-Werft baut für Beneteau die First 36 und setzt die altbekannte Forderung nach gewichtsbewusster Bauweise bravourös um
Die First 36 ist eine in jeder Hinsicht bemerkenswerte Yacht und nimmt im Portfolio einer Großserienwerft wie Beneteau eine Sonderstellung ein. Warum das so ist, verdeutlicht ein kurzer Blick hinter die Kulissen. Vor vier Jahren wurde die slowenische Seascape-Werft von Beneteau gekauft. Der Weltmarktführer aus Frankreich nannte in Folge die aus vier Modellen (Seascape 14, 18, 24 und 27) bestehende Palette in First um und legte damit den Grundstein für das Comeback der einst erfolgreichen gleichnamigen Linie; zudem wurde die Werft vergrößert, modernisiert und rationalisiert. Vor eineinhalb Jahren kauften die Seascape-Gründer Andraz Michelin sowie Kristian Hajnsek und Partner mehr als die Hälfte der Anteile der Werft zurück. Die so entstandene Kombination aus mehr individuellem Spielraum sowie allen Vorteilen, die ein Großkonzern hinsichtlich Rationalisierung und Synergien zu bieten hat, erwies sich als vorteilhaft für beide Seiten. Auch die Aufteilung der Zuständigkeiten klappt: Alle First-Modelle über 40 Fuß werden in Frankreich, jene darunter in Slowenien produziert.
Für die Konstruktion der First 36 engagierten Andraz Michelin und Kristian Hajnsek den Franzosen Sam Manuard, einen alten Bekannten aus der Mini-Szene. Er hat auch alle anderen Seascapes entworfen und zeichnete einen echten Gleitrumpf. Ihm zur Seite standen die slowenischen Laminatspezialisten von Pure-Design, die mit Hilfe von Strukturberechnungen und gewichtsoptimierten Laminatplänen einen strengen Diätplan erstellten, sowie der italienische Stardesigner Lorenzo Argento, der für das Styling im minimalistischen Umfeld verantwortlich war. Geballte Kompetenz.
Kein Extremismus
Erster Blick auf die First 36 im Hafen von La Rochelle. Im Vergleich zur Pogo 36 wirkt sie unspektakulär, fast möchte man sagen bieder. Das ist durchaus gewollt, weil man sich damit an eine breitere Zielgruppe richten und deutlich mehr Modelle verkaufen will. Unter dieser Prämisse ist es besser, den Geschmack des Mainstreams zu treffen. Ähnliches gilt für die Konzeption des Rumpfes, bei dem Sam Manuard auf jeglichen Extremismus verzichtete. Es handelt sich bei der First 36 – anders als in manchen anderen Fachmedien kolportiert – also keineswegs um keine geschrumpfte Class 40. „Das wäre für den Alltagsgebrauch viel zu unkomfortabel“, erläuterte der Designer während der Testfahrten. Die First 36 ist zwar definitiv als Gleityacht konzipiert, aber in keiner Weise radikal. Sie soll bei Leichtwind schnell segeln, bei Starkwind und im Rauwasser über ausreichend Stabilität verfügen und darf das Gewichtslimit von 4,8 Tonnen nicht überschreiten. Wie für eine Gleityacht typisch, ist der Rumpf achtern flach, aber nicht zu flach. Das generiert auch bei Leichtwind ein gewisses Maß an Krängung und damit wenig benetzte Fläche im Unterwasser, was eine vernünftige Segelleistung zur Folge hat. Die Breite wiederum ist so gewählt, dass die Formstabilität, die bekanntlich dem Segelkomfort zuträglich ist, deutlich ausgeprägt ist. Das Volumen im Heck- und Vorschiffsbereich ist moderat, auf Hardchines hat man verzichtet. Großes Augenmerk legte Manuard auf den Rocker (= Krümmung in Längsachse) im Heckbereich. Dieser Aspekt ist für Gleityachten wichtig und immer eine Gratwanderung: Ist die Krümmung zu gering, gleitet das Boot schnell an, aber man bekommt den Bug raumschots unter Gennaker nicht über die Wellen. Ist sie zu groß, verzögert sich der Zeitpunkt des Angleitens. Die Frage, ob bei der Konzeption der First 36 die Optimierung in Richtung ORC und IRC eine Rolle gespielt hat, beantwortet der Franzose so: „Nein, mein Fokus lag auf ausgewogenen Segeleigenschaften. Dennoch sollte man mit dem Rating gewinnen können, sofern man gut segelt.“ Das ist der Sinn der Sache, möchte man meinen.
Leistungszentrum
Herzstück der First 36 stellt das Cockpit dar, das kompromisslos auf die Bedürfnisse der Regattasegler ausgerichtet wurde. Basis ist ein klassisches Performance-Cruiser-Layout mit sechs Winschen – zwei Fallwinschen beim Niedergang, zwei Genuawinschen auf den seitlichen Sülls und zwei Großschotwinschen. Die Genua wird nicht via Schiene sondern über dreidimensional verstellbarer Holepunkte geschotet, die Großschot führt von der Baumnock über den Traveller zu einer der beiden Winschen. Schot, Achterstag und Traveller sind von Großschottrimmer oder Steuermann bedienbar, vorausgesetzt Letzterer sitzt am Süll und hat das Rad zwischen den Beinen. Eine an sich gute Position, weil man sich auf einer GfK-Leiste am Boden abstützen kann, wenn Mitsegler auf der Kante sitzen, ist aufgrund der tiefen Sitzposition die Sicht nach vorne allerdings ein wenig beeinträchtigt.
Clever konstruiert sind die beiden Sitzbänke im Cockpit, deren letztes Drittel aus demontablen Backskisten besteht.