Wo die Welle wohnt
Ein Ebenseer verwirklichte seinen Lebenstraum und schuf an der Traun die größte künstliche Flusswelle der Welt. Markus Korn war zur Eröffnung der Anlage vor Ort, hat mit dem Initiator gesprochen und sich anschließend in die Fluten gestürzt
Maui, Uluwatu, Malibu. Surfspots haben klingende Namen. Und sind verdammt weit weg; zumindest, wenn man hierzulande lebt. Aber man muss sich nicht unbedingt auf die lange Reise nach Hawaii, Bali oder Kalifornien machen, um eine Welle zu reiten. Österreich ist kein Land der Ozeane, aber ein Land der Ströme. Manche dieser Ströme können ebenfalls zum Wellensurfen genutzt werden, allerdings nur, wenn der Wasserstand passt, und das ist, übers Jahr gesehen, nicht allzu oft der Fall. Wer sich damit nicht zufrieden geben will, muss der Natur nachhelfen – und genau das tat der Ebenseer Max Neuböck. Der 27-Jährige hat es sich in den Kopf gesetzt, die perfekte künstliche Flusswelle zu schaffen. Sechs Jahre lang suchte der Surf-Enthusiast in der Region nach einem passenden Standort, sammelte Daten und analysierte sie. Fündig wurde er schließlich in seiner Heimatgemeinde, genauer gesagt in der Nähe der Miesenbachmühle: Im dortigen Abschnitt der Traun waren die technischen Voraussetzungen für das ehrgeizige Vorhaben, etwa der Höhenunterschied im Flussbett oder die räumlichen Gegebenheiten, ideal. Die Detail-Planung erfolgte in enger Absprache mit den Behörden, eingebunden war neben regionalen Betrieben auch die McLaughlin Whitewater Design Group, ein Spezialisten-Team mit Sitz in Denver, Colorado, das mit dem so genannten Wave Shaper das Herzstück der Anlage designte.
Im Jänner 2019 hatte Neuböck die wasserrechtlichen Genehmigungen, die Änderung des Flächenwidmungsplans sowie den Pachtvertrag für das Areal unter Dach und Fach, im August erfolgte der Spatenstich für den Bau des 120 Meter langen und zehn Meter breiten Ausleitungskanals. „Wir haben absolutes Neuland betreten, denn ein Projekt dieser Art gab es weltweit noch nie“, erinnert sich Neuböck, der ein Investitionsvolumen von zwei Millionen Euro zu stemmen hatte. Dementsprechend vielfältig waren die Herausforderungen …
Angewandte Physik
Viel Zeit, Geld, Nervenkraft und Herzblut floss also in The.Riverwave, so der Name der Ebenseer Welle. Doch nun ist sie fertig und mit einer Breite von zehn Metern und einer maximalen Höhe von 1,5 Metern die größte künstliche Flusswelle der Welt. Sie wird an mindestens 250, vermutlich sogar 300 Tagen im Jahr funktionieren, versichert ihr Schöpfer Max Neuböck. Die beste Zeit ist Frühjahr und Herbst, lediglich von Jänner bis März könnte es von der Wassermenge her knapp werden; aber da surft man im Salzkammergut ohnehin eher über einen Tiefschneehang als auf einer Welle.
Nach einem mehrwöchigen Testbetrieb fand am 15. Mai die offizielle Eröffnung der Anlage statt. Die Zufuhr des Wassers wird über eine hydraulisch bewegte Stahlklappe reguliert. „Es rinnt über eine Rampe, beschleunigt und trifft unten auf ein großes Becken mit langsamem Wasser“, erklärt Neuböck die Funktionsweise, „dadurch kommt es zu einer Reflexion nach oben und es formt sich eine stehende Welle.“ Angewandte Physik, nicht mehr und nicht weniger. Elektrische Pumpen, wie sie beispielsweise die Citywave nahe Wien hat, benötigt Neuböck nicht – Strömung statt Strom sozusagen. Mithilfe einer zweiten Klappe lassen sich die Höhe der Welle und damit die Zielgruppe bestimmen – sanft für Einsteiger, hoch und steil für Profis.
Stundenweise Zeitslots, wie sie anderswo üblich sind, werden bei The.Riverwave nicht an die Surfer vergeben, stattdessen kann man eine Tages-, Wochenend-, Wochen- oder auch Jahreskarte erwerben (Preise und alle Infos auf www.theriverwave.com). Die Kunden sollen, so Neuböcks Vision, entspannt Zeit auf seinem Gelände verbringen. Es ist immerhin rund 4.000 m2 groß, eine ausladende Grünfläche mit Bademöglichkeit, ein Sanitärbereich mit warmen Duschen und ein Gastronomiebereich gehören ebenso dazu wie Shop und Materialverleih.
Erfahrung am eigenen Leib
Aber mich interessieren im Moment weder Shirts noch Snacks – ich will wissen, wie sich diese Welle anfühlt. Also rein in den fünf Millimeter dicken Neopren und die Neo-Haube über den Kopf gezogen, schließlich hat das Wasser gerade mal zehn Grad.